Gericht befindet Unterhaus-Zwangspause für illegal

Ein schottisches Gericht hat die von Premier Johnson erwirkte Zwangspause des britischen Parlaments kurz vor dem Brexit-Termin für unrechtmäßig erklärt. Geklagt hatten etwa 75 Abgeordnete. Nun wird wohl das oberste Gericht in Großbritannien eine endgültige Entscheidung treffen. Kommentatoren verhehlen nicht ihre Freude über einen weiteren Rückschlag für Johnson.

Alle Zitate öffnen/schließen
Süddeutsche Zeitung (DE) /

Die Queen belügt man nicht

Das Urteil ist ein schwerer Schlag für den britischen Premier, kommentiert die Süddeutsche Zeitung:

„Nun muss Johnson hoffen, dass das Oberste Gericht ihn raushaut. Aber der Schaden ist bereits immens. Schon bisher hatte niemand Johnsons fadenscheinige Begründung geglaubt, das Unterhaus müsse fünf Wochen schließen, damit er die Regierungserklärung vorbereiten kann. Das war ein zu durchsichtiges Manöver mit dem Ziel, seine Brexit-Pläne durchzusetzen. Das Gericht in Schottland hat am Mittwoch auch gesagt, vorliegende Unterlagen legten nahe, er habe die Queen in die Irre geführt. Die Queen zu belügen - das ist in Großbritannien ein Sakrileg. Das mögen auch konservative Brexit-Freunde nicht. Dieser Premier ist untragbar.“

El País (ES) /

Richter führen Johnson vor

El País freut sich über das Urteil:

„Die schottischen Richter sind den Regierungsberatern nicht auf den Leim gegangen, die die Entscheidung als legal verkaufen wollten. ... Sie haben einige vernichtende Schlüsse gezogen, darunter den, dass 'Johnson das Parlament behindern wollte'. ... Das Ganze zeigt, dass man in einer Demokratie die Probleme nicht löst, indem man ihre Regeln umgeht, oder indem man Slogans in den sozialen Netzwerken platziert. Boris Johnson hat sein Land in eine noch vor wenigen Monaten unvorstellbare Situation gebracht, während Europa verblüfft auf das Ende wartet.“

Financial Times (GB) /

Justiz nicht in den Brexit-Sumpf hineinziehen

Ein juristisches Tauziehen rund um den Brexit schadet der Demokratie, klagt Financial Times:

„Die Einbindung von Gerichten beweist zu einem gewissen Grad, dass die gegenseitige Kontrolle der staatlichen Instanzen in der ungeschriebenen britischen Verfassung so zum Tragen kommt, wie sie es sollte. Dennoch ist es bedauerlich, dass Richter verpflichtet wurden, in politischen Fragen zu intervenieren. Das gibt skrupellosen Politikern und Teilen der Medien die Möglichkeit, auf unehrliche Weise und mit schädlichen Folgen von einem Brexit-Kampf des 'Volkes' nicht nur gegen das Parlament, sondern auch gegen die Richter zu sprechen. Damit droht Großbritanniens Höchstgericht in eine ähnlich stark politisierte Rolle hineingedrängt zu werden wie der Oberste Gerichtshof in den USA, wo Richter-Ernennungen von parteipolitischem Ringen bestimmt sind.“