Wie schlimm ist die Thomas-Cook-Pleite?

Nachdem Thomas Cook, der älteste Reiseanbieter der Welt, Insolvenz angemeldet hat, sitzen noch immer viele der rund 600.000 gestrandeten Touristen an ihren Urlaubsorten fest. Rund 22.000 Mitarbeiter verloren über Nacht ihren Job. Journalisten schwanken zwischen Angst und Häme.

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Ziarul Financiar (RO) /

Unsicherheit macht sich breit

In der spektakulären Pleite sieht die Finanzzeitung Ziarul Financiar Vorboten einer Rezession:

„Thomas Cook war die Tourismusagentur des Durchschnittsbriten. Wenn ein solcher Gigant verschwindet, aus welchem Grund auch immer, dann wird sich das Gefühl von Unsicherheit und Ungewissheit bezüglich der Zukunft der Wirtschaft verstärken. ... Hinzukommt der riesige Skandal des Brexit und dessen Auswirkungen. Automatisch werden die Leute denken, dass auch andere negative Überraschungen auf sie warten könnten und sie werden sich beim Konsum einschränken und schon ist die Rezession komplett.“

24 Chasa (BG) /

Pauschalreisen gehören abgeschafft

Für 24 Chasa ist die Insolvenz ein Grund zur Freude:

„Reiseveranstalter wie Thomas Cook haben die sogenannten Investoren im Tourismus, angelockt durch Profitgier, dazu angetrieben, immer mehr Bettenburgen zu bauen und die Preise unter jegliche vernünftige Niveaus zu senken, um der momentanen Nachfrage entgegenzukommen. Die Hoteliers bauten immer höher und beanspruchten immer größere Gebiete. So hat das Pauschalreisen-Geschäftsmodell zuerst Spanien und später auch Bulgarien kaputt gemacht. Davon bekommen die kleinen und mittleren Betriebe nichts ab. Der Hauptprofit vom scheinbar riesigen Touristenandrang landet in die Taschen der Reisekonzerne, die lediglich als Vermittler agieren. Sie haben nicht verstanden, dass die Leute langsam die Schnauze voll davon haben und dass die Welt in Zeiten des Internets nicht mehr dieselbe ist.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Notkredit für Condor ist überdimensioniert

Die deutsche Regierung hat der Fluglinie Condor, einer Tochter von Thomas Cook, einen Notkredit gewährt. Nicht nur über dessen Höhe wundert sich die Neue Zürcher Zeitung:

„Auffallend ist ..., dass der Notkredit mit 380 Millionen Euro und mit einer Laufzeit von sechs Monaten sehr grosszügig ausgestaltet ist, wobei der Staat und hiermit der Steuerzahler keine Gewähr auf Rückzahlung dieses Betrags hat. Als die Air Berlin vor gut zwei Jahren zahlungsunfähig wurde, leistete die deutsche Regierung unter Auflagen einen Kredit von 150 Millionen Euro, der erst dieser Tage - aber noch ohne Zins - zurückbezahlt worden ist. Die in Kauf genommenen Risiken sind enorm. Air Berlin beschäftigte seinerzeit 8000 Mitarbeiter, Condor hat 4900 Angestellte. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, stellt sich schon die Frage, warum ein derart grosser Betrag ... zur Ferienfluggesellschaft fliessen soll.“

Cyprus Mail (CY) /

Zypern leidet unter Touristenschwund

Für Zypern ist die Pleite ein herber Schlag, wie Cyprus Mail schreibt:

„Nach dem Zusammenbruch von Thomas Cook rechnet Zypern mit dem Verlust von 45.000 Touristen und fast 200 Millionen Euro Umsatz bis zum Jahresende. Hoteliers bleiben auf 50 Millionen Euro Schulden sitzen und einige Hotels werden jetzt für den Rest des Jahres leer stehen. Darüber hinaus steigen die Flugpreise. ... Aufgrund der Unsicherheit rund um den Brexit gibt es für 2020 kaum Buchungen aus Großbritannien. Thomas Cook machte fünf bis sechs Prozent der Ankünfte aus, so dass die in den letzten Jahren erzielten Gewinne zunichte gemacht werden dürften.“

Habertürk (TR) /

Lebendigste Branche der Türkei in Gefahr

Auch das türkische Tourismusgeschäft wird schwer getroffen, fürchtet Habertürk:

„Die Pleite dieses Reiseanbieters, der jährlich rund 600.000 Touristen in die Türkei brachte, hat dazu geführt, dass Kunden am Flughafen in Antalya im Stich gelassen wurden. Die Türkei hat in der Sache auf Ministerial-Ebene eingegriffen. Das Unternehmen ist nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland und in Russland aktiv. Diese Situation, die wir nicht verschuldet haben, könnte sich nachteilig auf unsere lebendigste Branche, den Tourismus, auswirken. “

To Vima (GR) /

Griechenland zu stark von Tourismus abhängig

Der Tourismus bringt Griechenland gute Einnahmen, doch das ist auch gefährlich, sorgt sich To Vima:

„Einige warnen seit Jahren, dass die Abhängigkeit der griechischen Tourismusbranche von zwei, drei hegemonialen Akteuren unvorhersehbare und weitgehend unkontrollierbare Risiken mit sich bringt. Die starke Abhängigkeit der Wirtschaft von Tourismuseinnahmen macht sie anfällig beim Zusammenbruch von Giganten wie Thomas Cook. ... Natürlich wird der Tourismus dominant bleiben, aber es ist klar, dass wir Wachstum in anderen Wirtschaftssektoren brauchen. Denn auch die Ausbeutung und Nutzung der Sonne, des Meeres und der Umwelt hat ihre Grenzen.“

Deutschlandfunk (DE) /

Erste spektakuläre Brexit-Pleite

Das Tourismusunternehmen ist das erste große Opfer des Brexit, erklärt der Deutschlandfunk:

„Zwar steckt der britische Reisekonzern schon seit Jahren bis zum Hals in Schwierigkeiten. Doch die Unsicherheit über den EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen dürfte dem ältesten Reiseunternehmen der Welt am Ende den Rest gegeben haben. ... Den kalten Brexit, eine mit Sicherheit danach noch kraftlosere britische Währung und die schwindende Kaufkraft der Kunden vor Augen, haben die Banken die Notbremse gezogen. Aus ihrer Logik heraus völlig zu Recht. Doch haben sie damit vor aller Welt die erste spektakuläre Brexit-Pleite produziert, der noch viele weitere folgen könnten. Denn das Szenario wird wie in jeder Krise sein: Die wirtschaftlich starken Unternehmen werden überleben, die ohnehin schon schwachen nicht.“

Die Presse (AT) /

Zombies am Zins-Tropf

Thomas Cook gehört zu den vielen Firmen, die nur dank des künstlich niedrigen Zinsniveaus so lange überlebt haben, führt Die Presse aus:

„Dass es diesen Groß-Zombie jetzt erwischt hat, ist ein ausgesprochen schlechtes Omen. Offenbar macht ein ungesunder Mix aus Brexit-Vorbeben und nachlassender Konjunktur die Nullzins-Spritzen weitgehend unwirksam. Wenn diese These stimmt - und wenig spricht dagegen - dann kommt einiges auf uns zu. Thomas Cook ist nämlich kein Einzelfall. Nach einer Untersuchung der Bank of America sind neun Prozent der 600 größten börsenotierten europäischen Unternehmen solche 'Untoten'. Bezieht man kleinere Firmen ein, dann reichen die Schätzungen auf bis zu 18 Prozent. In den USA lebt angeblich jedes fünfte Unternehmen nur wegen der Zins-Injektionen der Fed.“

Lidové noviny (CZ) /

Junge Menschen brauchen kein Reisebüro

Reisebüros haben sich überlebt, konstatiert Lidové noviny:

„Wer mit jungen Menschen im Alter von 20 oder 30 Jahren Kontakt pflegt, weiß, wie die ihre Reisen organisieren. Sie finden im Internet günstige Flugverbindungen, Anschlusszüge oder Busse und preisgünstige Unterbringungen. Und dann machen sie sich auf den Weg, ohne dass sie jemanden brauchen, der ihnen alles organisiert. ... Doch wer glaubt, dass der Zusammenbruch großer Reisebüros eine Erleichterung vom Massentourismus und der Fliegerei bringt und damit der Erde und ihrer Atmosphäre zugutekommt, der irrt. Der Massentourismus blüht mehr denn je. Nur, dass man für ihn immer weniger Reisebüros braucht.“

Financial Times (GB) /

Pauschalurlaub bleibt attraktiv

Financial Times sieht das anders:

„Trotz des Zusammenbruchs von Thomas Cook bleibt die Pauschalreise für viele ein attraktives Angebot. Sie ist praktisch und oft kostengünstig. Die großen Reiseveranstalter können den Hoteliers das bieten, was diese wollen: garantierte Buchungen über mehrere Jahre, ohne die Last, selbst für den Verkauf verantwortlich sein zu müssen. Die Kontrolle über wichtige Immobilien im Mittelmeerraum und im Fall von Tui, Thomas Cooks größerem Rivalen, eine direkte Kapitalbeteiligung an Hotels, sind gewaltige Hürden für potenzielle Konkurrenten. Der Name Thomas Cook wird vielleicht nicht überleben, die Pauschalreise aber schon.“

ABC (ES) /

Nur die Touristen waren ahnungslos

ABC kritisiert vor allem die britische Regierung:

„Der Zusammenbruch hat konjunkturelle Gründe wie die fortschreitende Abwertung des Pfundes oder die steigenden Benzinpreise. Auch das Klima ist ein Grund: Die Hitzewelle im letzten Sommer ließ die Nachfrage der Briten sinken. ... Die Gläubiger und die Partnerunternehmen wussten von der Agonie des Konzerns, sie versuchten bis zum Schluss, die Agentur zu retten. Auch der britischen Verwaltung waren die Umstände bekannt, sie hat sie aber toleriert. Mehr als ein paar wirkungslose Pflaster hatte sie nicht zu bieten. Dem sind jetzt hunderttausende Kunden und 20.000 Angestellte zum Opfer gefallen. Alle haben es kommen sehen, niemand hat die Urlauber gewarnt. Sie waren gestern die letzten, die davon erfahren haben.“