Estland: Regierungspartei attackiert LGBT-Gemeinde

Die estnische LGBT-Community ist in der Stadt Pärnu in den vergangenen Wochen Zielscheibe eines pöbelnden Mobs geworden. Erst wurden die Besucher einer Filmvorführung beschimpft und gefilmt, wenig später wurde eine Infoveranstaltung gestört. Organisiert hatte die Demonstrationen der örtliche Ableger der rechtsextremen Ekre-Partei, die in Tallinn in der Regierung sitzt. Estnische Medien sind voller Sorge.

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Postimees (EE) /

Eine brandgefährliche Partei

Die Lokalausgabe der Tageszeitung Postimees aus Pärnu ist entsetzt:

„Darf eine Partei, die systematisch und planmäßig eine kleine Minderheit angreift, der estnischen Regierung angehören? Das ist eine Frage an den Premierminister Jüri Ratas. Passen die Mobber in den Stadtrat von Pärnu? Das ist die Frage an die Bewohner der Stadt, von deren Stimmen die Mitglieder abhängig sind. Diese Zeitung ist der Meinung, dass keine Weltanschauung ein solches Mobbing rechtfertigt. Ähnlich denkt die Polizei. Die Redaktion hält dies für ein gefährliches Zeichen: Heute ist die LGBT-Gemeinde die Zielscheibe, morgen kann es andere Gesellschaftsgruppen treffen.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Wir brauchen die Zivilgesellschaft!

Aktuell läuft eine Online-Petition gegen den estnischen LGBT-Verein. Sie will erreichen, dass der Verein keine Fördergelder mehr erhält. Innen- und Finanzminister, beide von Ekre, unterstützen das Vorhaben. Aktivist Alari Rammo hält in Eesti Päevaleht gar nichts von der Petition:

„Die Zivilgesellschaft erfüllt zwei sichtbare Funktionen: Sie vertritt bestimmte Interessen und sie übernimmt teils Dienstleistungen. Für den Markt macht es keinen Unterschied, ob der Staat die Dienstleistung von einem Unternehmen oder einem gemeinnützigen Verein einkauft. ... Der Staat braucht die Stimmen verschiedener Interessenorganisationen, um bessere Politik zu machen und damit Geschäftsinteressen oder undurchdachte Wahlversprechen auszugleichen. Aktive Bürger und deren Organisationen sind Teil der Gewaltenteilung, die dafür stehen, den Machtmissbrauch der Regierenden gegenüber den Schwachen zu verhindern.“