Ankara treibt Einsatz in Libyen voran

Das türkische Parlament hat die Entscheidung über einen Militäreinsatz in Libyen auf den heutigen Donnerstag vorgezogen. Erdoğan will damit der von den UN anerkannten Regierung von al-Sarradsch zu Hilfe eilen. Damit legt er sich mit Russland, Ägypten und Saudi-Arabien an, die General Haftar unterstützen, der mit seinen Truppen auf Tripolis zumarschiert. Was sind die Folgen dieser Eskalation?

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Le Monde (FR) /

Europa zahlt den Preis seines Versagens

Die Eskalation in Libyen wird Erschütterungen weit über das Land hinaus erzeugen, ist Le Monde überzeugt:

„Ein geopolitisches Desaster ist dabei, Europas südliche Nachbarschaft zu erschüttern, während die internationale Gemeinschaft - und besonders die Europäische Union - hilflos zusieht. ... Man muss die Alarmglocken läuten, denn Libyen ist ein Pulverfass. Die Spirale ausländischer Einmischung bedroht nicht nur die Lage im östlichen Mittelmeer, sondern auch die Stabilität Nordafrikas und der Sahelzone. ... Wenn eine gemeinsame türkisch-russische Herrschaft sich in Libyen durchsetzt, genau so wie es im Norden Syriens geschehen ist, wird Europa, das von seinem Logenplatz aus zusieht, den Preis seines eigenen Versagens zahlen.“

Corriere della Sera (IT) /

Duell um Gas und Öl

Der Türkei und Russland geht es bei den Libyen-Operationen allein ums Geschäft, erörtert Kolumnist Franco Venturini in Corriere della Sera:

„Wenn die Zeit für Verhandlungen gekommen ist, wenn die beiden libyschen Kräfte offen zu den eigentlichen Verlierern erklärt werden, werden auf dem Verhandlungstisch nur die rauchenden Colts von Russland und der Türkei liegen. Sie werden, so hoffen sie, entscheiden, ob und wie Libyen vereint bleibt. Sie werden die ersten sein, die Hand anlegen an das libysche Öl und Gas. Sie werden entscheiden, wer sich in die Reihe stellen darf, um die Krümel abzubekommen.“

Ria Nowosti (RU) /

Erdoğan versucht sich als Putin-Nachahmer

Ria Nowosti sieht Parallelen zwischen Erdoğans geplantem Libyen-Engagement und Russlands 2015 begonnener Syrien-Mission:

„Eine legale Regierung, die nur noch einen minimalen Teil des Landes kontrolliert und angesichts von Militärschlägen der Opposition vor dem Kollaps steht, bittet einen einflussreichen Alliierten um Hilfe - und bekommt sie. Wie das in Syrien ausging, ist bekannt. Das 'zum Scheitern verurteilte Kreml-Abenteuer' wurde für den syrischen Staat zur Rettung und für Russland zum militärisch-politischen Triumph, der ihm wirtschaftliche Vorteile und eine Schlüsselrolle im Nahost-Prozess einbrachte. Kein Wunder, dass Moskaus Erfahrungen für viele verlockend sind und den Wunsch wecken, sie zu wiederholen.“