Impeachment vor dem Aus: Was sind die Folgen?

Mit einem Votum von 51:49 hat der US-Senat am Freitag die Befragung von Zeugen im Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump abgelehnt. Damit bleibt auch Ex-Sicherheitsberater John Bolton ungehört. Am Mittwoch dürfte der US-Präsident von den Vorwürfen des Machtmissbrauchs und der Behinderung von Ermittlungen freigesprochen werden. Kommentatoren erklären, was das frühzeitige Verfahrensende bedeutet.

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De Volkskrant (NL) /

Das gab es noch nie: Impeachment ohne Zeugen

Der Verlauf des Verfahrens skizziert ein bedenkliches Bild vom Zustand der Demokratie und des Rechtsstaats in den USA, urteilt De Volkskrant:

„Seit der Wahl von Trump gibt es Sorgen wegen seiner undemokratischen Einstellung und dem mangelnden Respekt vor dem Rechtsstaat. Das amerikanische System sieht Kontrollen vor, eine davon ist der unabhängige Senat. Doch im Impeachment-Prozess hat die republikanische Mehrheit die Kontrollfunktion des Senats auf zynische Weise ihrer parteipolitischen Bindung an den Präsidenten unterworfen. ... Die Republikaner haben beschlossen, Trump zu schützen. Ein Novum in der politischen Geschichte: Noch nie zuvor wurde ein Impeachment-Prozess beendet, ohne Zeugen anzuhören. Man kann nur hoffen, dass die Republikaner dafür im November vom Wähler bestraft werden.“

newsru.com (RU) /

50:50 ist nun mal kein breiter Konsens

Der in Moskau und Chicago lehrende Wirtschaftsprofessor Konstantin Sonin hingegen lobt die Weitsicht der US-Verfassungsväter. Er schreibt in einem von newsru.com übernommenen Facebook-Post:

„Die Prozedur ist so angelegt, dass ein Präsident sein Amt verliert, wenn er etwas angestellt hat, was die Bürger so sehr erregt, dass sich zwei Drittel der Senatoren den Vorwürfen anschließen. Aber wenn es weniger sind, bleibt er im Amt - denn der Hauptmechanismus, um Unzufriedenheit mit dem Präsidenten auszudrücken, sind die Wahlen. … Trump wird vom Senat begnadigt, was exakt der Idee der Verfassungsautoren entspricht. Die Amtsenthebung ist für eine Situation gedacht, in der es in der Gesellschaft einen breiten Konsens über deren Notwendigkeit gibt. 50:50 ist davon weit entfernt. Die US-Bürger haben im November die Möglichkeit, Trump für eine zweite Amtszeit zu wählen - oder auch nicht.“

The Independent (GB) /

Freispruch wird Trump die letzten Skrupel nehmen

Ein noch dreisteres Vorgehen von Donald Trump nach dem Impeachment-Verfahren fürchtet The Independent:

„Am Tag nach der Entlassung von FBI-Direktor James Comey erklärte Trump Vertretern Russlands im Oval Office, dass er den 'Spinner' Comey gefeuert habe und dass der 'Druck' der Nachforschungen in der Russland-Affäre nun von ihm genommen sei. Am Tag nach den Anhörungen von Sonderermittler Robert Mueller rief Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an und setzte diesen unter Druck, gegen Joe Biden und dessen Sohn zu ermitteln. Was wird Trump am Tag nach seinem Freispruch tun? Wenn die Republikaner im Senat Trump freisprechen, werden sie damit einen gesetzlosen Präsidenten anspornen und die Legislative als Ganzes schwächen.“

Deutschlandfunk (DE) /

Jede Menge Wahlkampf-Munition für Demokraten

Trotz ihrer Niederlage könnten die Demokraten noch Nutzen aus der Angelegenheit ziehen, meint Washington-Korrespondent Jan Bösche im Deutschlandfunk:

„Die Demokraten ... werden alles tun, damit das Impeachment-Verfahren nicht in Vergessenheit gerät. Die Verfehlungen des Präsidenten und die unterwürfige Bereitschaft der Republikaner, ihn zu schützen - das werden die Demokraten immer wieder anführen, im Wahlkampf gegen den Präsidenten, aber auch im Wahlkampf gegen Abgeordnete und Senatoren. Den Demokraten könnte helfen, dass immer neue Details ans Tageslicht kommen werden. Ohne den formalen Rahmen einer Befragung im Senat fließen die Informationen, Vermutungen und Gerüchte sogar noch leichter.“