Vorwahl in Iowa: Was bleibt nach dem Chaos?

Nachdem technische Pannen zu Verzögerungen bei der Stimmauszählung geführt haben, liegen nun erste Ergebnisse zur Vorwahl der Demokraten im US-Bundesstaat Iowa vor: Demnach liegt Pete Buttigieg knapp vor Bernie Sanders. Die Entscheidung fiel auf Hunderten teils ganz kleinen Parteiversammlungen. Fassungslos kommentieren einige Journalisten das Chaos. Für andere ist es allerdings nicht das entscheidende Thema.

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Kurier (AT) /

Verdienter Spott für Dilettantismus

Das war ein Fehlstart, konstatiert der Kurier:

„Tragikomischer hätten die US-Demokraten nicht in die erste Runde für die Präsidentschaftswahlen starten können: Obwohl in Iowa nur Demokraten gegen Demokraten antraten (zum Auftakt der Kür ihres Präsidentschaftskandidaten), verloren sie gleich einmal. Die Auszählung endete im Totalchaos und verzögerte sich Stunde um Stunde. Das Ergebnis ist völlig zweitrangig. Die Opposition, die Donald Trump aus dem Weißen Haus vertreiben will, hat ihre erste Niederlage erlitten - und sich den Spott verdient. Wenn man nicht einmal Vorwahlen organisieren kann, wie will man dann das Land regieren.“

Corriere della Sera (IT) /

Beispielloses Eigentor der Demokraten

Das Chaos zeigt auch die Absurdität eines völlig veralteten Wahlprozesses, klagt USA-Korrespondent Massimo Gaggi in Corriere della Sera:

„Der Prozess wurde von Iowa nie reformiert, damit die historische Patina erhalten bleibt, die es diesem in den weiten amerikanischen Prärien verlorenen Staat bisher ermöglicht hat, bei den Präsidentschaftswahlen eine zentrale Rolle als Vorläufer zu spielen. Ein schwerfälliges Verfahren, über das eine schlampige und schlafmützige Parteiorganisation wahllos verschiedene Technologien gestülpt hat, die nicht ausreichend getestet wurden. Die Demokratische Partei ist berühmt für ihre organisatorischen Eigentore, aber was in Iowa geschah, übersteigt jede Vorstellungskraft.“

Aftonbladet (SE) /

Sanders ist kein ernsthafter Herausforderer

Nicht dem Chaos in Iowa, sondern den Chancen der Kandidaten schenkt Aftonbladet seine Aufmerksamkeit:

„Bernie Sanders ist ein 78-jähriger weißer Mann mit einer politischen Agenda, die kaum durchsetzbar ist. Da sie unter anderem die Ölindustrie und die Arbeitgeber hart treffen würde, hat Sanders auch mächtige Kräfte gegen sich. Darüber hinaus ist er weit entfernt von den Strömungen unter den Durchschnittsamerikanern, die Donald Trump bei den letzten Wahlen zum Präsidenten gemacht haben. Somit ist schwierig zu erkennen, wie Sanders Trump ernsthaft herausfordern könnte. Und das wiederum macht Joe Biden zur vernünftigsten Wahl als Gegner von Trump.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Pete Buttigieg ist der bessere Biden

Gazeta Wyborcza hingegen sieht Pete Buttigieg als aussichtsreichsten Kandidaten:

„Fast alle Kräfte seines Stabs hat er in die Vorwahl in Iowa investiert: Er hat eine Armee von Freiwilligen versammelt, ist monatelang durch den Staat gereist. Wenn er hier kein gutes Ergebnis erzielt hätte, wären seine Chancen auf das Amt nun erheblich geringer. Es ist jedoch anders gekommen und der 38-Jährige ist eine gemäßigte Alternative zu Joe Biden geworden, der unerwartet schwach abgeschnitten hat. Buttigieg hat viele Vorteile. Er ist ein begnadeter Redner, hat die Gabe der Zuspitzung und ist gut ausgebildet (Abschluss in Harvard und Oxford). Liberale Amerikaner mögen die Idee, dass ihr Land einen offen schwulen Präsidenten haben könnte. Konservative schätzen seinen Dienst in Afghanistan.“

De Standaard (BE) /

Trump frohlockt

Lachender Dritter ist US-Präsident Donald Trump, stellt De Standaard fest:

„Die Demokraten brauchen Dynamik, Begeisterung und eine hohe Wahlbeteiligung, um Donald Trump bei der Wahl im November zu besiegen. Es ist erst Februar. Aber nach dem Debakel der Demokraten in Iowa fühlt sich der Präsident nicht ernsthaft in die Enge getrieben. Im Gegenteil, er nutzte sogar die Gunst der Stunde. Letzte Nacht hielt er seine State-of-the-Union-Rede. ... Daran, dass er die Rede im Wahljahr zum Wahlkampf nutzen würde, bestand von vornherein wenig Zweifel. Ihr Titel lautete: 'Das große amerikanische Comeback'. Und heute folgt wohl noch ein weiterer Moment des Triumphs für Trump: Wenn der Senat über seine Absetzung abstimmt.“