Fifa-Prozess um WM-Vergabe 2006 endet wegen Verjährung

Das Schweizer Bundesstrafgericht hat den Prozess um Millionenzahlungen vor der Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland - unter anderem gegen die ehemaligen DFB-Präsidenten Zwanziger und Niersbach - wegen Verjährung beendet. Formaler Grund ist, dass die Beschränkungen im Zuge der Corona-Krise eine Durchführung unmöglich machten. Doch es stellen sich auch inhaltliche Fragen zur Arbeit der Strafermittler.

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Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Blamage für die Schweizer Strafjustiz

Für die Neue Zürcher Zeitung ist der geplatzte Prozess ein Debakel:

„Zunächst stellte die Bundesanwaltschaft ausufernde Ermittlungen an, versäumte es aber zugleich, wichtige Auskunftspersonen zu befragen. Erst im letzten Sommer erhob sie schliesslich Anklage. Doch das Bundesstrafgericht liess danach – im Wissen um die drohende Verjährung – ganze fünf Monate ... verstreichen, nur um die Anklageschrift im Januar an die Bundesanwaltschaft zurückzuschicken, damit diese sie 'ergänze'. Parallel dazu geriet Bundesanwalt Michael Lauber wegen informeller und nicht protokollierter Treffen mit dem Fifa-Chef Gianni Infantino zunehmend unter Druck. ... Diese Woche veröffentlichte die Aufsichtsbehörde über das Bundesstrafgericht ihren Schlussbericht. ... Nach der Lektüre ... bleibt vom Gericht das Bild einer Institution, die ... mit internen Streitigkeiten und Feindschaften beschäftigt war.“

Zeit Online (DE) /

Verfahren ging ohnehin am Ziel vorbei

Die eigentlichen Köpfe des korrupten "Systems Fifa" standen gar nicht vor Gericht, bemängelt Zeit Online:

„Die wahren bösen Buben in diesem Spiel sind nämlich die von der Fifa. Die Patrone João Havelange und Sepp Blatter haben sie in gut vier Jahrzehnten zu einem Organ der Wirtschaftskriminalität gemacht, zu einer Mafia ohne Pistolen. Nichts ging ohne Schmierstoff. Von Blatter geduldete Leute wie Jack Warner, Chuck Blazer, Issa Hayatou, Nicolás Leoz, Julio Grondona, Ricardo Teixeira oder Worawi Makudi waren korrupt bis in die Fußspitzen und hielten stets die Hände auf. Blatter selbst war in strafrechtlich relevante TV-Deals verwickelt, ohne dass gegen ihn ermittelt wurde. Mit den Millionen, die in der Fifa versickerten, könnte man ganze Fußballligen in der Corona-Krise retten.“