Ungarn: Sorge um Menschen am Rande der Gesellschaft

Während die Lockdown-Regelungen in Ungarn an diesem Montag weiter gelockert werden, rücken nun die sozialen Folgen der Corona-Krise in den Fokus. Laut offiziellen Angaben haben im März 56.000 Menschen ihre Arbeit verloren, mehr als die Hälfte der Firmen hat Umsatzeinbußen von mindestens 30 Prozent erlitten. Ungarische Medien diskutieren, wie marginalisierten Bevölkerungsgruppen geholfen werden kann.

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Azonnali (HU) /

Eine neue Aufgabe für das Militär

Die Idee der ungarischen Regierung, der zunehmenden Arbeitslosigkeit mit Personalaufstockungen bei der Armee zu begegnen, ist nicht unbedingt zu verteufeln, findet Azonnali:

„Seit dem Römischen Imperium war in allen größeren Reichen das Militär auch ein Mittel sozialer Mobilität. Dafür kann es im kleineren Umfang auch in kleineren Ländern verwendet werden ... Doch der Teufel steckt im Detail. ... Das Modell würde funktionieren, wenn das Problem allein der Mangel an Arbeitsplätzen wäre. Doch das Problem ist, dass die Betroffenen ungebildet sind. ... In Friedenszeiten muss man alternative Aufgaben für das Militär finden. Chancen zu schaffen ist genau so eine Aufgabe. Doch würde sie nur mit großen Investitionen gelingen.“

Mérce (HU) /

Die Vergessenen: Obdachlose, Pflichtarbeiter, Roma

Auf ein Umsteuern in Wirtschaft und Gesellschaft drängt Mérce:

„Über die Gesellschaftsgruppen, die wegen unseres Wirtschaftsmechanismus marginalisiert wurden, wird in Ungarn (und auch anderswo) kaum geredet. Es wird quasi nicht darüber diskutiert, welche Folgen die Pandemie und die sich daraus ergebende Rezession für Obdachlose haben wird, für die staatlichen Pflichtarbeiter Ungarns [denen in strukturschwachen Regionen für 160 Euro Monatslohn eine Stelle zugewiesen wird], für die in Ghettos lebenden Roma und für all jene, die durch die Konjunktur der vergangenen zehn Jahren nicht begünstigt wurden. ... Die bevorstehende Krise bietet eine neue Chance, die Defizite der globalen und lokalen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen zu erkennen und Veränderungen zu schaffen.“