Österreichs Corona-Gesetze verfassungswidrig

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat wesentliche Teile der Gesetze für rechtswidrig erklärt, die Wien in der ersten Phase der Corona-Pandemie beschlossen hatte, darunter das Betretungsverbot für den öffentlichen Raum und die Regelung, wonach nur Geschäfte bis 400 Quadratmeter öffnen durften. Die Landespresse beklagt eine unverhohlene Geringschätzung Wiens für den geltenden Rechtsrahmen.

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Wiener Zeitung (AT) /

Ignorant und taktisch unklug

Für die Wiener Zeitung war die Entscheidung erwartbar:

„Eine Blamage, die vermeidbar gewesen wäre. Denn natürlich musste es beim Corona-Lockdown schnell gehen. Dass dabei Fehler und Ungenauigkeiten passierten, ist verständlich und menschlich. Das Problem ist aber: In den Wochen danach weigerte sich die Bundesregierung, diese Fehler und Ungenauigkeiten zu diskutieren und zu beseitigen. Juristen zeigten zwar deutlich die Mängel und Unschärfen in der Gesetzgebung auf. Doch wurden sie ignoriert. Bestenfalls. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) tat die Kritik an der Gesetzgebung als 'juristische Spitzfindigkeit' ab. Wenn der Verfassungsgerichtshof entscheide, seien die Maßnahmen sowieso nicht mehr in Kraft, meinte er lapidar. ... Vertrauensbildend war dieses Verhalten nicht. ... Kommt es zu einer zweiten Welle samt neuen Einschränkungen: Wird sich die Bevölkerung dann wieder so brav daran halten?“

Der Standard (AT) /

Hemmschwelle für Missbrauch gesenkt

Der Standard glaubt der Regierung zwar, dass kein Kalkül hinter den unzulässigen Gesetzen steckte, warnt aber vor einer Aushöhlung der Verfassung:

„Zumindest eine der beiden Regierungsparteien ist derartige Abfuhren durchaus gewohnt. Die Höchstrichter haben unter ÖVP-Kanzlerschaft schon andere legistische Meisterwerke - etwa die Reform der Mindestsicherung - zurückgeschmissen. ... Die Regierungspolitiker sollten die jüngsten Entscheidungen ... mit Demut annehmen und Möglichkeiten zur Kompensation bezahlter Strafen ausschöpfen. ... Die Verfassung dient nicht dem Zeitvertreib einiger Rechtsgelehrter, sondern dem Schutz der Grundrechte. Schludriger Umgang senkt die Hemmschwelle für weiteren Missbrauch, der statt aus Versehen auch aus kalter Berechnung stattfinden kann.“