Welche Chancen verspricht Europas grüner Aufbruch?

Der Green Deal soll das Kernstück des Corona-Aufbaupakets der EU bilden. Die Kommission setzt dazu auch auf die Initiative „Neues europäisches Bauhaus“. Sie soll Design, Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Investitionen kombinieren. Die Gespräche über das EU-Klimagesetz, das noch dieses Frühjahr verabschiedet werden soll, stocken indes. In den Kommentarspalten ist Unruhe angesichts dieser Konstellation zu erkennen.

Alle Zitate öffnen/schließen
El País (ES) /

Diesen Zug nicht auch noch verpassen

Die EU hat eine einmalige Chance, internationalen Rückstand wettzumachen, empfiehlt El País:

„Im digitalen Wettlauf sind die 27 Mitgliedstaaten weit abgehängt von den USA und China. Aber im grünen Wettlauf sind sie wettbewerbsfähig. Acht der zehn wichtigsten Unternehmen im Bereich sauberer Energien sind europäisch. Der Kontinent darf diesen Zug nicht verpassen. Auf dem Spiel stehen die energetische Autonomie, die Schaffung vieler Arbeitsplätze und die Kontrolle einer Technologie von globaler Bedeutung. Außerdem kann die grüne Führungsrolle der EU dabei helfen, die moralische Vorbildfunktion zu untermauern - ein Gut, das sich nicht greifen lässt, aber das dennoch wichtig ist.“

Rzeczpospolita (PL) /

Polen braucht die Wende

So schnell wie möglich muss Polen von Kohle auf erneuerbare Energien umstellen, drängt Rzeczpospolita:

„Wir befinden uns auf einem Kollisionskurs, haben aber noch Zeit, das Steuer herumzureißen. Tun wir das nicht, drohen wirtschaftliche Katastrophen. Die steigenden Energiepreise werden polnische Unternehmen zu Fall bringen, die bereits durch die vielen Lockdowns leiden mussten. Der Wiederaufbauplan und der polnische New Deal müssen sich deshalb auf grüne Technologien konzentrieren. Andernfalls wird die polnische Wirtschaft auch nicht groß von EU-Geldern profitieren können. Denn diejenigen, die auf 'grün' setzen, können momentan mehr Geld bekommen.“

Hürriyet Daily News (TR) /

Erst einmal globale Ungleichheiten beheben

Einen finanziellen Ausgleich für schwächere Länder mahnt Hürriyet Daily News an:

„In Ländern wie der Türkei mutet ein Green Deal an, als ob Du bei Whole Foods einkaufst, während der Gerichtsvollzieher gerade Deinen Kühlschrank abtransportiert. Wenn der Westen es (insbesondere auch beim Wiederaufbau nach Covid-19) ernst meint mit dem Ausgleich globaler Ungleichheiten, dann sollten hohe Schulden und hohe Risikoprämien vom 'Rest der Welt' als ein globales Problem betrachtet werden. Um die globale Erwärmung zu stoppen, braucht es einen wahrhaft globalen Finanzplan. Die Umweltschützer müssen weniger über Elektroautos und mehr über die Bilanzen von Ländern mit mittlerem bis niedrigem Einkommen nachdenken.“

Rzeczpospolita (PL) /

Es geht nur gemeinsam

Der Green Deal muss alle in der EU mit einbeziehen, mahnt Rzeczpospolita:

„Ursula von der Leyens Idee darf sich nicht auf wenige Auserwählte oder die Elite beschränken. Walter Gropius, der Ideologe des Bauhauses, argumentierte, dass seine Schule den Menschen dienen sollte. Sie sollte universell sein. Daher darf man diesen Traum nicht verwirklichen, indem man andere ausschließt. Das neue Bauhaus muss von allen Ländern der EU gestaltet werden. Auch von Polen, einem EU-Land mit einer vitalen Industrie und Handwerkskunst.“

The Spectator (GB) /

Auf Kollisionskurs mit Biden

Die Pläne der EU werden die Beziehungen mit den USA weiter belasten, warnt The Spectator:

„Präsident Joe Bidens große Vision ist ein Plan zur Förderung umweltfreundlicher Energien, der erneuerbaren und sauberen Strom ins Zentrum stellt. ... Die EU hat genau die gleiche Agenda. Der Großteil ihres Corona-Rettungsfonds in Höhe von 750 Milliarden Euro soll in den gleichen Sektor gehen. Doch es kann nicht zwei globale Führungsmächte im Bereich klimaschonender Energie geben. Tatsächlich wird der Konflikt um die Vorherrschaft in dieser Branche beide Seiten noch weiter auseinandertreiben.“