Madrid: Was bedeutet Ayusos Sieg für Spanien?

Der eindeutige Sieg von Isabel Díaz Ayuso (PP) bei der Regionalwahl in Madrid beschäftigt die Presse in ganz Europa. Die konservative Regionalpräsidentin hatte im Wahlkampf vor allem mit ihrem Widerstand gegen die spanische Corona-Politik punkten können und gehört zum rechten Flügel ihrer Partei, der eine Koalition mit der rechtsextremen Vox befürwortet.

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Jornal de Notícias (PT) /

Bedrohung für die Demokratie

Jornal de Notícias ist besorgt:

„Diese populistische und nationalistische Rechte, die Sehnsucht nach Franco hat, die Ultra-Liberalen, die Feinde der spanischen Nationen (insbesondere Katalanen und Basken), die Befürworter von Stierkämpfen und des Ultra-Katholizismus, gewinnen mit jeder Wahl an Gewicht. Der nächste Schritt wird sein, die rassistische und sexistische Agenda in eine nationale Regierung zu tragen, immer unter der Hand der PP. Der Faschismus mag vielleicht nicht kommen (der Kommunismus auch nicht), aber es besteht eine Bedrohung für die Demokratie.“

Le Figaro (FR) /

Normalisierung der politischen Landschaft

Parteichef Pablo Casado kann die klassischen Wähler der PP zurückgewinnen, beobachtet hingegen Le Figaro:

„Die zentristische Partei Ciudadanos ist abgestürzt und die Dynamik der rechtspopulistischen Vox wurde unterbrochen. Pablo Casado ist überzeugt, dass ihn die Vox-Wähler bei der Parlamentswahl gegen Pedro Sánchez unterstützen werden. Es ist ihm vor einigen Monaten gelungen, sich nicht mit einem von Vox initiierten Misstrauensvotum zum Sturz der sozialistischen Regierung zu solidarisieren. Die Wähler der rechten Mitte, die zuvor für Ciudadanos stimmten, wissen dies zu schätzen und sind zur PP zurückgekehrt. Diese Wahl signalisiert also eine Normalisierung der politischen Landschaft Spaniens.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Der Diskurs bleibt vergiftet

Spaniens Konservative sollten bei ihrem Jubel nicht vergessen, um welchen Preis Ayuso ihnen diesen Sieg erkauft hat, mahnt die Madrid-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Karin Janker:

„Sie sind in der Hauptstadtregion so weit nach rechts gerückt, dass eine Zusammenarbeit mit den Rechtsradikalen von Vox nur folgerichtig erscheint. Im Wahlkampf war es fast anrüchig, einen Platz irgendwo zwischen 'Kommunismus oder Freiheit' einzunehmen. Ein Extrem gebiert das andere. Die Kunst der Zuspitzung mochte für den Wahlkampf Erfolg versprechend sein. Doch nun wäre es an der Zeit, das Gift aus dem Diskurs wieder herauszusaugen. Wenig spricht dafür, dass Ayuso dies tut. Sie will Ministerpräsidentin werden, und der Weg ist noch weit.“

ABC (ES) /

Den Ayuso-Effekt nutzen

ABC hofft, dass die PP den Erfolg in Madrid auf nationaler Ebene fruchtbar machen kann:

„Madrid ist keine Ausnahme in Spanien, sondern der Beleg dafür, dass Díaz Ayuso eine resolute und begeisternde Regierung auf die Beine gestellt hat, die vor allem auch in der Lage ist, sich als realistische Alternative zum Sanchismus zu präsentieren. Das muss die Priorität für Spanien sein, weil mit Pedro Sánchez im Regierungspalast die politische, institutionelle, wirtschaftliche und soziale Krise auf ein nicht auszuhaltendes Maß angewachsen ist. ... Jetzt muss der 'Ayuso-Effekt' noch das übrige Spanien anstecken.“

Jutarnji list (HR) /

Opposition die große Verliererin

Nicht das gute Ergebnis der Rechten, sondern das schlechte Abschneiden der Linken ist die Überraschung dieser Wahl, meint Jutarnji list:

„Der größte Verlierer dieser Wahl ist Pablo Iglesias Turrión, der bisherige Chef der Unidos Podemos (UP), der Linken, die aus den Protesten (Indignados) gegen die Maßnahmen der Regierung unter der PP während der globalen Finanzkrise hervorging. Iglesias war ein frisches Gesicht in der Politikszene und man setzte große Hoffnungen auf ihn. ... Aber der Streit in der Linken hatte gravierende Folgen, da er einen Großteil ihrer Wähler vergraulte, der sich bewusst wurde, dass auch Iglesias nur ein weiterer Politiker ist, der zumindest in der von ihm gegründeten Partei die Macht behalten wollte.“

eldiario.es (ES) /

Bier wichtiger als Wirtschaft und Gesundheit

Ayusos polemisches Kontern gegen die von der Zentralregierung vorgegebenen Pandemie-Restriktionen hat sich für sie ausgezahlt, analysiert Chefredakteur Ignacio Escolar in eldiario.es:

„Die Freiheit der Biertische hat in Madrid gesiegt. ... Ayusos Pandemie-Strategie hat zwar nicht für die Wirtschaft funktioniert: Die Region sticht weder in der Arbeitslosenstatistik noch beim BIP hervor. Sie funktionierte auch nicht für die öffentliche Gesundheit: Madrid ist die spanische Region, in der die Sterblichkeit am stärksten gestiegen ist. Aber die Strategie war zweifellos ausschlaggebend für den überwältigenden Sieg an diesem Dienstag. Ein Sieg, den sie großteils der Entscheidung verdankt, die Gastronomie entgegen aller Warnungen, einschließlich der anderer PP-Regionalregierungen, offenzuhalten.“

El País (ES) /

Spanien ist nicht gleich Madrid

Dass sich die PP jetzt auf nationaler Ebene nicht auch nach rechts orientiert, hofft El País:

„Der Erfolg von Ayusos ultraliberalen und demagogischen Positionen, die Stabilisierung von Vox und die Tendenz zum Verschwinden von Ciudadanos verschieben den Schwerpunkt des konservativen Parteienblocks eindeutig nach rechts. Aber die Parteiführung der PP tut gut daran, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Politik in Madrid zwar Auswirkungen auf Spanien hat, aber Spanien dennoch nicht mit Madrid gleichzusetzen ist. Hoffentlich folgt die nationale Parteistrategie nicht dem madrilenischen Vorbild, sondern hält am Weg der ehrwürdigen Vorbilder innerhalb der christdemokratischen Familie Europas fest.“