Superreiche im All: Bleibt am Ende nur Kopfschütteln?

Amazon-Gründer Jeff Bezos hat mit seinem eigenen Raumschiff für elf Minuten einen Ausflug ins All unternommen. Zuvorgekommen war ihm vor anderthalb Wochen der Unternehmer Richard Branson. Beide wollen Reisen ins All künftig kommerziell anbieten, auch Elon Musk betreibt ein Raumfahrtunternehmen. Dieser Wettlauf erntet viel Kritik - doch manche Beobachter finden, dass wir es uns damit zu einfach machen.

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Hospodářské noviny (CZ) /

Riesige Geldverschwendung

Beileibe nicht alle freut der Wettlauf einiger weniger Hyper-Reicher ins All, merkt Hospodářské noviny an:

„Wütend reagieren zum Beispiel Kämpfer gegen die globale Armut wie Deepak Xavier, der Leiter der globalen Kampagne gegen Ungleichheit bei Oxfam, einer der größten Non-Profit-Organisationen der Welt. Besonders stört ihn, dass es Bezos und anderen Milliardären ermöglicht wird, Mindeststeuern zu zahlen, während in der Pandemie bis Ende 2020 mehr als acht Millionen Amerikaner in Armut gerieten. Das Vermögen des Amazon-Chefs hat sich in der Pandemie binnen eines Jahres fast verdoppelt, auf 208 Milliarden Dollar. Die hypothetische Steuer auf den Gewinn Amazons, wie Oxfam sie vorgeschlagen hatte, hätte ausgereicht, um fast 600 Millionen Menschen zu impfen.“

Le Point (FR) /

Wir handeln auch nicht entschiedener

Dass der Ex-Amazon-Boss uns allen einen Spiegel vorhält, findet Philosophin Sophie Chassat und erläutert in Le Point:

„Das Ganze ist nämlich nicht so simpel, wie es aussieht. Klar, der Milliardär hebt ab. Aber er bleibt auch auf dem Boden der Tatsachen und gründet seine 10 Milliarden Dollar schwere Stiftung Bezos Earth Fund zur Bekämpfung des Klimawandels. … Worauf uns das übertriebene und karikaturistisch widersprüchliche Verhalten von Jeff Bezos verweist, ist die extreme Ambivalenz von uns allen. … Im Alltag schwanken wir, handeln wir widersprüchlich. Jeff Bezos' Reise ins Weltall sollte uns zum Nachdenken veranlassen: über die endgültige Entscheidung, die jeder von uns treffen wird, und die Schwierigkeit, dann auch dabei zu bleiben.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Wie im Kindergarten

Die Profilierungssucht der Superreichen kennt keine Grenzen, ätzt der Tages-Anzeiger:

„Branson war noch gar nicht losgeflogen, da machte Bezos' Firma das Ganze schon madig: Branson sei nur mit einem Flugzeug unterwegs gewesen, wohingegen Bezos mit einer Rakete ins All fliege … . Ob das Universum wohl gross genug ist für die Egos dieser Männer? Elon Musk, der dritte dieser Brüder im Geiste, hielt sich aus der ganzen Debatte raus. Wahrscheinlich weil er längst viel grösser plant, er will ja das All besiedeln. Dass die Ära des Weltraumtourismus derart kindisch beginnt, ist insofern zu begrüssen, als dadurch von Anfang an klar ist, worum es geht: um Ego-Boosting. Und ums Geschäft.“

The Irish Times (IE) /

Schon bald ein Milliardengeschäft

Bei Bransons Flug ging es keineswegs nur darum, sich einen Bubentraum zu erfüllen, erklärt The Irish Times:

„Das war auch ein nüchternes unternehmerisches Unterfangen, um die technische und kommerzielle Durchführbarkeit des Massentourismus im Weltraum zu beweisen. 600 Kunden von Virgin Galactic haben jeweils bereits mindestens 200.000 US-Dollar für Tickets noch ohne genaues Flugdatum bezahlt, um es auch zu tun. ... Die Schweizer Bank UBS prognostizierte 2019 in einem Bericht, dass der Markt für Hochgeschwindigkeitsreisen durchs All binnen zehn Jahren auf ein Volumen von mindestens 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr ansteigen wird - und dass diese Reisen eine echte Konkurrenz für gewöhnliche Langstreckenflüge darstellen werden. Der Weltraumtourismus allein soll demnach ein Drei-Milliarden-Dollar-Markt werden.“

De Tijd (BE) /

Ein Ehrgeiz nicht von dieser Welt

Durchaus auch positive Vorbilder sind Branson und Co. für De Tijd:

„Sie versuchen, die Grenze dessen zu durchbrechen, was wir wissen und können. Sie geben den Worten 'Wissenschaft und Innovation', für die sich immer noch zu wenige junge Menschen begeistern können, einen abenteuerhaften Anstrich: Entdecken, Erfinden, Grenzen verschieben. ... In dieser Hinsicht ist die Reise ins All eine Erfolgsgeschichte. Natürlich sind Vorbehalte angebracht. ... Aber jetzt darf auch einmal das Staunen vorherrschen über ihren grenzenlosen Ehrgeiz und ihre Tatkraft. Branson und Bezos zeigen, dass es möglich ist, in einem Menschenleben reich genug zu werden, um selbst ein Raumfahrtunternehmen zu starten und einen Kindertraum aus eigener Kraft zu verwirklichen.“

The Times (GB) /

Gegen Biber-Babys verlieren Branson und Bezos

Der Zustand des eigenen Planeten kümmert die breite Masse zum Glück mehr als die Weltraumabenteuer von Milliardären, schreibt The Times:

„Die Geburt des ersten Biber-Babys seit 400 Jahren im Nationalpark Exmoor sorgte hier für viel mehr Aufregung als der private Wettlauf ins All. Die Renaturierung interessiert mehr als kühne Aufbrüche in die intergalaktische Wildnis. Es mag für die Nasa faszinierend sein, Wasser auf dem Mond entdeckt zu haben. Doch ein aktuell viel wichtigeres Thema ist die Verschmutzung unserer eigenen Flüsse und Meere. ... Vor einem halben Jahrhundert bestand die große Herausforderung der Menschheit darin, die Grenzen des eigenen Wissens durch die Entdeckung neuer Planeten zu erweitern. Jetzt gilt es, unseren eigenen zu retten.“

tagesschau.de (DE) /

Schluss mit der satten Ignoranz

Laut dem neuen Welternährungsbericht der UN ist infolge der Pandemie inzwischen ein Zehntel der Weltbevölkerung unterernährt. Für tagesschau.de fließt das große Geld zu wenig dorthin, wo es wirklich gebraucht wird:

„[E]s wird immer absurder. Gerade wetteifern drei Milliardäre damit, mit ihren Playmobilen ins Weltall zu fliegen: schneller, höher, grenzenlos. ... Warum steckt die Welt nicht so viel Energie, Technik und Geld in die Entwicklung unserer Ernährungssysteme wie die Superbrains in ihre Weltraumträume? ... Jetzt sollte mal Schluss sein mit der Ignoranz. Wir müssen unser weltweites Ernährungs- und Absatzmarkt-System verändern ... . Der Kampf gegen den Hunger muss so vereint geschehen wie der gegen die Corona-Pandemie. “