Fall Schischow: Wie soll Europa reagieren?

Der vermisste belarusische Aktivist Vitali Schischow ist tot. Er wurde am Dienstag in einem Park in der Nähe seines Wohnortes in Kyjiw an einem Baum erhängt aufgefunden. Die Polizei teilte mit, sie gehe auch dem Verdacht eines als Suizid getarnten Mordes nach. Schischow hatte die Organisation "Belarusisches Haus in der Ukraine" geleitet und unterstützte geflohene Gegner des belarusischen Präsidenten Aljaksander Lukaschenka.

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Frankfurter Rundschau (DE) /

Exilanten brauchen mehr Schutz

Bewahrheitet sich der Verdacht, das Regime in Minsk habe etwas mit dem Tod zu tun, würde das erneut den verbrecherischen Charakter der Lukaschenka-Diktatur belegen, meint die Frankfurter Rundschau:

„Es würde die lange Reihe von Fällen wie des Aktivisten Roman Protassewitsch oder der Olympionikin Kristina Timanowskaja verlängern, mit denen Minsk versucht, die Opposition einzuschüchtern. ... Die EU prüft zu Recht weitere Sanktionen. Zudem sollten alle Staaten, die Oppositionelle aus Belarus aufgenommen haben, sie intensiver schützen. All das mag Lukaschenko nicht unmittelbar stoppen, schon gar nicht, solange der russische Präsident Wladimir Putin seinen Amtskollegen stützt. Es macht Lukaschenko aber das Leben schwer und hilft der Opposition.“

Ukrajinska Prawda (UA) /

Gemeinsam mit anderen Staaten ermitteln

Die Ukraine solllte sich nicht scheuen, Partner aus Nato-Staaten in die Aufklärung des Todes von Schischow einzubinden, meint Bohdan Yaremenko, Abgeordneter der Regierungspartei, in Ukrajinska Prawda:

„Wir müssen nicht nur genau herausfinden, ob Geheimdienste mit diesem Tod zu tun haben, wir müssen auch herausfinden, wenn ja, um welche Geheimdienste es sich handelt. Man kann der Ukraine empfehlen, eine rechtliche Form zu finden, die interessierten Nato-Partnern einen Zugang zu den Ermittlungen und den Akten der Ermittlungen ermöglicht. Nein, da geht es nicht darum, dass wir 'Kuratoren' brauchen. ... Sollte sich der schlimmste Verdacht bestätigen, muss die Antwort kollektiv sein. Und die Gewissheit, dass Verdacht und Vorwürfe begründet sind, ist größer, wenn gemeinsam gehandelt wird.“

De Volkskrant (NL) /

Todbringende Prioritäten

In der belarusischen Diktatur wird alles dem Machterhalt untergeordnet, analysiert De Volkskrant:

„Diktatoren wie Lukaschenka kennen nur eine Logik: an der Macht bleiben. Eine Diktatur ist erst dann perfekt, wenn sie ihre Gegner bis ins Ausland verfolgt. ... Natürlich bezahlt Belarus auch einen Preis. Sanktionen der EU und der USA schaden der Wirtschaft, gut ausgebildete junge Menschen verlassen das Land, weil sie unter Lukaschenkas Herrschaft keine Zukunft sehen. Belarus hat sich abhängig gemacht von Russland, was Lukaschenka immer verhindern wollte. Alles ist von untergeordnetem Interesse, solange Alexander Lukaschenka an der Macht bleibt.“

Jyllands-Posten (DK) /

Ukraine schneller in EU und Nato holen

Weitere Sanktionen gegen Lukaschenka bringen nichts mehr, erklärt Jyllands-Posten:

„Vielleicht liegt die Antwort in der Ukraine. Der Prozess, die Ukraine in die EU aufzunehmen - und gerne auch in die Nato - muss beschleunigt werden, auch um ein Beispiel zu liefern. Die Ukraine stand in einer ähnlichen Situation, aber entschied sich für Europa und die Hoffnung auf die Gemeinschaft in der EU. Wenn Lukaschenka irgendwann einmal - trotz allem - weg ist, könnte das seine Nachfolger verlocken. Es sollte sich auszahlen, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu schlagen.“

The Economist (GB) /

Minsk stiftet erfolgreich Chaos

Der mutmaßliche Mord an Schischow ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Belarus das restliche Europa noch länger in Atmen halten wird, glaubt The Economist:

„Jede neue Welle der Repression wird dazu führen, dass mehr Belarusen fliehen. Eine wankende Diktatur, die an drei EU-Länder und eine fragile Ukraine grenzt, ist in einer hervorragenden Position, um Chaos zu exportieren. Belarus wird auch beschuldigt, irakische Migranten über seine Nordgrenze nach Litauen geschickt zu haben - möglicherweise als Strafe dafür, dass Swetlana Tichanowskaja dort im Exil lebt. ... Wie die meisten belarusischen Exilanten wird auch sie sich ängstlich fragen, womit die Diktatur von Belarus noch ungeschoren davon kommen wird.“