Kaczyński will kritischem TV-Sender an den Kragen

Obwohl Polens Regierungskoalition über die Frage zerbrochen war, hat die Mehrheit der Sejm-Abgeordneten einem umstrittenen Mediengesetz zugestimmt. Es gilt als der Versuch, dem regierungskritischen Sendernetzwerk TVN die Lizenz zu entziehen. Kommentatoren bewerten die angespannten Beziehungen zu den USA und den immer häufiger gezogenen Vergleich mit dem ungarischen Regierungsstil.

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Népszava (HU) /

Polen riskiert viel

Kaczyński riskiert zu viel für die Erhaltung der Macht, meint Népszava:

„Mit dem Angriff auf TVN24, der in US-Besitz ist, und auf die Pressefreiheit im Allgemeinen setzt der 72 Jahre alte Kaczyński die Sicherheit, die die Nato- und EU-Mitgliedschaft bieten, aufs Spiel. Dies tut er, um sein korruptes, nationalistisches und populistisches System, das dem ungarischen immer ähnlicher wird, noch bis zur nächsten Legislaturperiode zu erhalten. In der oppositionellen polnischen Presse geht man bereits davon aus, dass die USA aufgrund der sich verschlechternden Beziehung die Option prüfen, die in Polen (auf polnischen Antrag) stationierten US-Soldaten teils ins zuverlässigere Rumänien zu verlegen.“

Financial Times (GB) /

Kaum noch unabhängige Stimmen

Einen besorgten Blick auf die schwindende Medienfreiheit in Polen wirft Financial Times:

„Die öffentlich-rechtlichen Sender Polens wurden durch die PiS zu plumpen Propagandisten der Regierung degradiert. Ein staatlicher Ölkonzern wurde genutzt, um verschiedene lokale Medienunternehmen aufzukaufen. ... Polens Medienaufsicht trödelt seit mehr als 18 Monaten mit der Verlängerung der Sendelizenz für TVN24, einem der wichtigsten Nachrichtensender von TVN. Das ist von Bedeutung. Die Übernahme von TVN durch regierungsfreundliche Eigentümer würde nur den kleineren Sender Polsat als unabhängige Quelle für Nachrichten übrig lassen und damit bei der im Jahr 2023 anstehenden Parlamentswahl für Verzerrungen sorgen.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Gegen EU und USA zusammen hätte es die PiS schwer

Die EU und die USA sollten gemeinsam und koordiniert reagieren, empfiehlt Der Tagesspiegel:

„Ein in Europa ansässiger Medienkonzern kann treuhänderisch die nötige Anzahl von Discovery-Anteilen übernehmen, um dem Buchstaben des neuen Mediengesetzes für die Lizenzverlängerung zu genügen. ... Und Deutschland, Europa und die USA sollten sich aktiv in den Wahlkampf einmischen ... indem sie klar machen, dass sie mit Kräften, die die Medienvielfalt einschränken und freie Medien mit Willkürgesetzen zum Verstummen bringen wollen, nicht partnerschaftlich zusammenarbeiten können und deshalb vor deren Wahl warnen. ... Gegen ein gut begründetes Bündnis Europas mit den USA ... wird es für die PiS schwer, eine Mehrheit unter Polens Wählerinnen und Wählern zu finden.“

Delo (SI) /

Orbán ist viel gerissener

Delo vergleicht das Vorgehen der PiS mit dem des ungarischen Premiers und kommt zu folgendem Ergebnis:

„Orbán würde nie zwei Fronten gleichzeitig öffnen, wie es Kaczyńskis Partei getan hat. … Ungarns Regierungschef ist gerissener. Während Washington auf die Liste der in Polen Unerwünschten aufgenommen wird, auf der neben Brüssel seit Kurzem auch Moskau ist, erhöht Budapest seinen Einfluss in der Nachbarschaft und knüpft gleichzeitig pragmatische Verbindungen zu Moskau und Peking.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Das wird die PiS erklären müssen

Die Kontroverse über die Pressefreiheit ist keine innerpolnische Angelegenheit, betont Hospodářské noviny:

„Hauptaktionär von TVN ist Discovery. .... Sowohl demokratische als auch republikanische Senatoren warnten in einer gemeinsamen Resolution: Jede Anwendung des Gesetzes auf TVN, die größte US-Investition in Polen, wird negative Auswirkungen auf die Beziehungen in den Bereichen Verteidigung und Handel haben. Die Regierung in Warschau hat nichts dagegen unternommen, dass das Land im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen in den letzten Jahren vom 18. auf den 64. Platz gefallen ist. Sie wird aber nicht umhin kommen, den Polen zu erklären, warum sie ihre Verbündeten in Washington verärgern will.“

Aktuality.sk (SK) /

Blinder Eifer

Damit es in den Medien nur noch Lobhudelei gibt, überschreitet die PiS alle Grenzen, beobachtet Aktuality.sk:

„Ihr geht es in erster Linie darum, einen unabhängigen Fernsehsender zum Schweigen zu bringen. Dass Jarosław Kaczyńskis Partei zu diesem Zweck selbst die Beziehungen zu den USA und die Stabilität der eigenen Regierung aufs Spiel setzt, beweist, wie weit die PiS zu gehen bereit ist, um ihre Kritiker in den Medien loszuwerden.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Bürger sollen vorgekaute Ideen schlucken

Gazeta Wyborcza geht mit der Regierung hart ins Gericht:

„Der Premier, ein notorischer Lügner, hat sich diesmal voll und ganz offenbart: Es geht nicht darum, den Markt zu regulieren und die polnischen Medien vor einer feindlichen Übernahme durch die Russen oder Chinesen zu schützen. Es geht darum, Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen oder Medien in eine Variante des regierungstreuen Staatsfernsehens zu verwandeln. Damit die ungebildeten Massen all das schlucken, was sich die PiS - unter der Führung von Parteichef Kaczyński - ausdenkt und ihnen serviert.“

Handelsblatt (DE) /

Dem Spuk ein Ende bereiten

Dass die PiS, um das Gesetz durchzudrücken, sogar zum Koalitionsbruch bereit war, bedeutet für das Handelsblatt Folgendes:

„Mitnichten ist die polnische Demokratie tot, dem Durchmarsch der PiS gegen Europas Werte stellen sich inzwischen auch bisherige Partner entgegen. Aber die PiS ist weiterhin wild entschlossen, Polen nach ihren erzkatholischen und rückwärtsgewandten Ideen umzubauen. Und die Partei ist dazu bereit, weiter voll auf Konfrontation mit Europa und seinen Werten zu gehen ... - und das ausgerechnet in Polen, das sich hinter dem Eisernen Vorhang entschlossener als andere die Freiheit erkämpfte. Zu hoffen ist, dass Polens Wählerinnen und Wähler sich an diesen Freiheitskampf erinnern und dem Spuk ein Ende bereiten.“