Mehr Druck: Ist der Umgang mit Ungeimpften richtig?

Ausreichend Impfstoff gegen Corona gibt es in Europa - aber immer weniger Menschen, die sich auch impfen lassen möchten, weshalb die Politik in vielen Ländern den Druck auf Ungeimpfte deutlich erhöht. Obwohl auch Geimpfte das Virus übertragen können, sind sie von Test-Auflagen fast komplett befreit. Ungeimpfte hingegen müssen teils tief in die Tasche greifen, um Tests zu bezahlen, die in Slowenien ab Mittwoch sogar fürs Tanken erforderlich sind.

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Primorske novice (SI) /

3G an der Tanke ist verheerend

Sloweniens Regierung weitet die 3G-Regel von Mittwoch an auf fast alle Bereiche des Alltags aus, beispielsweise auch den Besuch von Tankstellen oder Einkaufszentren. Für Primorske novice absolut kontraproduktiv:

„Impfbefürworter werden die Idee unterstützen, aber sie sind ohnehin schon geimpft. Impfgegner werden eine Impfung weiter meiden. Freigeister werden gegen den schlecht getarnten Zwang des Staatsapparats protestieren, Impfskeptiker werden weiter zweifeln. Und viele werden ihr gesellschaftliches Leben auf ein Minimum beschränken und versuchen, zu überleben. ... Die erfolglose Bewältigung aller Wellen der Epidemie seitens der Regierung muss vom Handel, den Kulturschaffenden, den Tourismusdienstleistern ausgebadet werden. ... Wir werden alle schlechter leben.“

Delfi (LT) /

Man muss sich nur impfen lassen, ganz einfach...

Keine Beschränkung der Rechte von Ungeimpften erkennt Publizist Kęstutis Girnius und schreibt auf Delfi:

„Die Ungeimpften werden nicht diskriminiert, ihre Rechte werden nicht künstlich beschnitten. Sie selbst verzichten auf die Schritte, mit denen sie die Rechte, die in der Not für alle beschränkt wurden, zurückerlangen würden. Es ist gar nicht schwer, sie zurückzubekommen, man muss sich nur impfen lassen. ... Falls der Impfpass die Gesellschaft spalten sollte, hat jeder die Freiheit, auf die Seite der 'Auserwählten' zu gelangen, denn keiner verbietet das Impfen. “

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Zu viel Druck ist kontraproduktiv

Die Neue Zürcher Zeitung warnt vor dem Pranger:

„Man will die sturen Zeitgenossen endlich zur Vernunft bringen, notfalls mit Drohungen, notfalls auf unsanfte Art. ... Die Interessenlage ist schwierig. Gleichwohl sollte man bei aller Ungeduld und Gereiztheit gegenüber den Ungeimpften nun nicht anfangen, die Peitsche zu schwingen und auf die Schnelle freiheitliche Grundsätze preiszugeben. ... Eher den gegenteiligen Effekt dürfte es haben, wenn Politiker Marschbefehle ausgeben und die Leute auffordern, sich schleunigst ins Impfzentrum zu begeben ... [E]thische Errungenschaften wie den vertraulichen Umgang mit Gesundheitsdaten und den Schutz der Privatsphäre [sollte man] so gut als möglich bewahren. Dazu gehört selbstverständlich, niemanden wegen seines Impfstatus an den Pranger zu stellen.“

Primorske novice (SI) /

So kann man mit Patienten nicht umgehen

Sloweniens Gesundheitsminister hat nach Druck von Medizinern verkündet, die erst diese Woche eingeführte Regel, dass Nichtgeimpfte ohne Schnelltest nicht mehr zum Arzt dürfen, müsse angepasst werden. Die Regierung schießt in ihrem Bestreben, die Menschen zum Impfen zu bringen, übers Ziel hinaus, kritisiert Primorske novice:

„Das ist ein zweischneidiges Schwert. Es ist unverantwortlich, die Menschen in diesen Zeiten weiter zu verunsichern. Wenn Menschen die ganze Zeit ein rotes Tuch vor die Augen gehalten wird, wird ihnen früher oder später die Geduld ausgehen und die Regierung ist selbst schuld, wenn sie dann überall massenhaft auf die Straße gehen. Die Versuche, Impfungen zu erzwingen, steigern bereits jetzt den Trotz und verstärken die Sturheit. Damit verlieren wir alle.“

Die Presse (AT) /

Wirtschaft braucht Planungssicherheit

Feste Regeln bringen die Konjunktur wieder in Schwung, meint Die Presse:

„Dass es nun zu einer Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften kommt, ist nicht nur aus medizinischen Gründen sinnvoll. Es bringt weiten Teilen der Bevölkerung auch die Sicherheit, dass sie ihr Leben wieder längerfristig planen können. Dass der Winterurlaub gebucht, die Theaterkarten bestellt oder der Tisch im Restaurant reserviert werden können. ... Ist die Stimmung positiv und konsumfreudig, macht sich das in der Regel auch beim Wachstum bemerkbar. Und daher ist es für die heimischen Unternehmer und ihre Mitarbeiter wichtig, dass es so früh wie möglich Klarheit über mögliche Maßnahmen gibt.“

Primorske novice (SI) /

So angewendet ist 3G unethisch

In Slowenien wurde diese Woche die 3G-Regel erweitert: So kommt man als Nicht-Geimpfter ohne einen Schnelltest nicht mehr zum Arzt. Das ist moralisch nicht vertretbar, empört sich Primorske novice:

„Das steht im Widerspruch zum hippokratischen Eid und zur universellen menschlichen Ethik, Humanität und der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte. Darauf weisen die Experten bereits hin. Hoffentlich wird die Regierung unter dem Gewicht der Argumente diese umstrittene Bestimmung aus der Verordnung streichen. Denn jeder, der für seine Krankenversicherung zahlt, hat jederzeit und überall das Recht auf Behandlung.“

La Stampa (IT) /

Widerstand gegen grünen Pass ist rechtes Projekt

In Italien soll die Ausweispflicht mit dem Gesundheitspass ausgeweitet werden, er wird auch an vielen Arbeitsplätzen erforderlich sein. Der Widerstand dagegen kommt eindeutig aus der rechten Ecke, wettert Philosophin Donatella Di Cesare in La Stampa:

„Verschwörungsparolen, kaum verhohlene Leugnungen und vor allem offen antisemitische Äußerungen genügen, um den Charakter der Bewegung gegen den Gesundheitspass zu offenbaren. … So reicht ein Blick ins Internet, um auf gelbe Sterne zu stoßen, die auf obszöne Weise zum Symbol für die Diskriminierung derjenigen geworden sind, die sich noch nicht impfen lassen wollen, oder um das Wort Pass mit dem doppelten S so geschrieben zu finden, das es den Nationalsozialismus evoziert. ... Der Kampf gegen den Grünen Pass ist ein reaktionärer Kampf, ein Kampf der Rechten (wenn nicht gar der extremen Rechten).“

Hürriyet Daily News (TR) /

Wie Selbstmordattentäter

Ungeimpfte haben das Recht, an Covid zu sterben, aber nicht, andere mit in den Tod zu reißen, kommentiert Hürriyet Daily News:

„Im Normalfall bedarf es bis auf wenige Ausnahmen der freien Entscheidung der Menschen, ob sie medizinisch versorgt werden wollen. ... Aber wenn es sich um eine Krankheit handelt, also um eine Pandemie, die die gesamte Menschheit bedroht, wie frei kann dann der Einzelne sein? Wie groß ist der Unterschied zwischen einem Freund, der infiziert ist, aber ignoriert, dass er andere mit diesem Virus anstecken könnte, und einem Terroristen, der mit einer Bombe bewaffnet in eine riesige Menschenmenge hineinläuft? Ist es wirklich so anders, die Pandemie zu befördern und den Tod von Menschen zu verursachen oder den Zünder zu ziehen?“

Diena (LT) /

Fehlt noch: Ungeimpfte zu Hause einsperren!

Die litauische Regierung hätte noch einige Möglichkeiten, Impfverweigerer zur Vernunft zu bringen, ironisiert Diena:

„Es bleibt nur die Möglichkeit noch weiterer Sanktionen. Ein Verbot der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht nur ohne Ticket, sondern auch ohne Impfpass. ... Höhere Strafgelder für die Impfpasslosen. Damit der Staatshaushalt in der Pandemie keine Verluste erleidet, sondern Profit macht. Die Polizei sollte alle Autos stoppen, die Beifahrer haben. Sitzt im Auto ein Impfpassloser, bekommt auch der Fahrer eine Strafe. So hoch wie bei Trunkenheit am Steuer. Sollte auch das die Impfgegner nicht stoppen, könnte man befehlen, bei allen Einwohnern die Türschlösser auszutauschen. Bist du ungeimpft, hast Du nicht genug Antikörper, bleibt die Tür zu.“

Irish Independent (IE) /

Warum sich Moralisten in Toleranz üben müssen

Ungeimpfte dürfen von der Gesellschaft nicht wie Aussätzige behandelt werden, findet Irish Independent und verweist auf den Medienbericht einer Ärztin, die an Covid erkrankte Impfgegner nur widerwillig behandelt:

„Was wäre, wenn diese Ärztin auch keinerlei Verständnis aufgebracht hätte für ihre dicken Patienten, Raucher, Couch-Potatoes, Raser, Frauen mit Gebärmutterhalskrebs oder HIV-Infizierte? So viele Krankheiten und Unfälle werden von uns selbst und den Entscheidungen darüber, wie wir unser Leben führen, verursacht. So viele sind vermeidbar. ... Toleranz und menschlicher Anstand sind zwei Qualitäten, die wir zuhauf brauchen werden, um uns von dieser Pandemie zu erholen. Vor uns liegt - psychologisch und wirtschaftlich - ein langer Weg, und die Impfmoralisten sollten sich etwas beruhigen.“

Liberal (GR) /

Verweigerer viel härter rannehmen

In Griechenland müssen ungeimpfte Arbeitnehmer in vielen Branchen ein bis zwei Mal pro Woche einen Schnelltest vorlegen. Auch im Freizeitbereich kommen Ungeimpfte oft nur mit Test in geschlossene Räume. Ab dem 13. September kosten Schnelltests nun zehn Euro - außer für Schüler und Menschen mit Symptomen. Damit kommen Ungeimpfte viel zu billig davon, ärgert sich Mediziner Theodoros Vasilakopoulos in Liberal:

„Ich finde die Maßnahmen für Ungeimpfte mild, es kostet sie nur 40 Euro im Monat, um ihr Recht aufrechtzuerhalten, das Virus ungeimpft zu tragen und jeden anzustecken, den sie wollen. ... Ich habe große Angst, dass in unserem Land wieder einmal die Rechte der Minderheit, der Ungeimpften, stärker sind als die Rechte der Mehrheit, also der Geimpften.“

Aargauer Zeitung (CH) /

Wenn wir Unterschiede aushalten, werden wir stark

Zuversichtlich, dass die Impfpolitik nicht die Gesellschaft spaltet, zeigt sich die Aargauer Zeitung:

„Beim Impfen verlaufen die Gräben nicht durch die Gesellschaft als Ganzes, sondern durch Familien, Vereine, Parteien, Firmen, Nachbarschaften ... In den USA ist das anders. Amerika ist zweigeteilt, Impfen und das Maskentragen gelten als politischer Akt: Man ist für die Demokraten, wenn man es tut. Republikaner, Trump inklusive, wagen es kaum mehr, vom Impfen zu sprechen. Eine solche totale Polarisierung ist gefährlich für jedes Land. ... Wir müssen lernen, Meinungsunterschiede auszuhalten, auszutragen und fruchtbar zu machen. Gelingt uns das als Individuen - im Familien- und Freundeskreis -, stärkt das auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft.“