Frankreich: Kontroverse um das Beichtgeheimnis

Nach den Enthüllungen über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche debattiert Frankreich heftig über das Beichtgeheimnis. Die zentrale Frage: Muss ein Priester Missbrauchsfälle melden, wenn er im vertraulichen Gespräch davon erfährt? Oder steht das Beichtgeheimnis über den Gesetzen der Republik, wie Éric de Moulins-Beaufort, Präsident der französischen Bischofskonferenz, erklärte?

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La Croix (FR) /

Gestrige Debatte trübt Blick auf aktuelle Fragen

Für die der katholischen Kirche nahestehende Zeitung La Croix lenkt die Diskussion von der eigentlich wichtigen Herausforderung ab:

„Die Infragestellung des Beichtgeheimnisses ist bei der Missbrauchsbekämpfung ein heikles, aber kein zentrales Thema. Die zentrale Frage ist auch nicht das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. … Die überwältigende Mehrheit der Katholiken lebt diese Trennung längst. Die oberste Priorität der französischen Kirche muss es sein, den Missbrauchsfällen in ihren Reihen ein Ende zu setzen. Zu große Teile der Institution Kirche verharren in Untätigkeit, als dass wir es uns leisten könnten, Energie auf Debatten aus einer längst vergangenen Zeit zu verschwenden.“

Libération (FR) /

Kirche muss moralische Prinzipien achten

Die Frage ist nicht allgemein, ob staatliche oder kirchliche Gesetze höher stehen, kommentiert Libération. Vielmehr gehe es um die Problematik des Beichtgeheimnisses im konkreten Fall des sexuellen Missbrauchs:

„Selbst wenn man einräumen würde, dass es eine gesetzgebende Gottheit gibt (was keine Kleinigkeit ist!), kann das Beichtgeheimnis in einer Demokratie nicht maßgebend sein, wenn es einer recht einfachen und überzeugenden moralischen Kritik unterzogen werden kann. Denn es geht hier um Hunderttausende Opfer von sexueller Gewalt in der Vergangenheit und vielleicht auch in der Zukunft. Selbst gläubige Menschen müssen eingestehen, dass die Regeln, die ihre irdische Glaubensinstanz aufgestellt hat - nicht ihr Gott selbst! –, grundlegende moralische Prinzipien achten müssen.“