Ein Jahr nach Bidens Wahl: Kommt da noch was?

Vor einem Jahr gewann Joe Biden die Wahl zum US-Präsidenten. Seither sind die Umfragewerte gesunken und wichtige Reformen scheitern teilweise am Widerstand der eigenen Partei. Europas Pressestimmen ziehen ein verhaltenes Resümee und sehen den US-Präsidenten unter wachsendem Druck seines Vorgängers Donald Trump.

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T24 (TR) /

Von Zweifeln überschattet

Nach der Euphorie um Bidens Wahl macht sich Ernüchterung breit, konstatiert T24:

„Wenn es heute Wahlen gäbe, wäre die Wahl Bidens äußerst zweifelhaft. Laut Meinungsumfragen sind die Unterstützungswerte für Biden erstmals unter 50 Prozent gesunken. Es hat sogar eine Debatte darüber begonnen, ob Biden die vier Jahre seiner Amtszeit beenden wird. Zweifel an seiner Gesundheit sind gewachsen. ... In zwei Jahren wird er 80, man ist neugierig, wie er das Land führen können wird. Sollte Biden wegen irgendeines Grundes die Präsidentschaft frühzeitig beenden, würde laut Verfassung seine Stellvertreterin Kamala Harris übernehmen, die man aber seit den Wahlen nicht mehr gesehen hat.“

El Mundo (ES) /

Langweiler ohne Tatkraft

El Mundo ist tief enttäuscht:

„Der demokratische Präsident sollte antreten, um ein von Polarisierung zerrissenes Land zu flicken. Dabei scheint er nicht erfolgreich zu sein. ... Es ist ihm nicht gelungen, größere Reformen durchzusetzen, und er konnte seine Landsleute nicht einmal davon überzeugen, die Impfraten zu erhöhen. Ganz zu schweigen von dem schändlichen Abzug aus Afghanistan. ... Sein Profil als Langweiler und die Enttäuschung, die seine Stellvertreterin, Vizepräsidentin Kamala Harris, auslöst, helfen ihm nicht. Sie tauchte so schnell auf wie sie wieder verschwand. ... Der Trumpismus ist trotz des peinlichen letzten Angriffs auf den Capitol Hill noch lange nicht am Ende. Er wartet darauf, an die Macht zurückzukehren. Biden muss so schnell wie möglich reagieren, um die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Trumps Atem im Nacken

El Periódico de Catalunya beobachtet mit Argwohn, wie sich Donald Trump für 2024 in Stellung bringt:

„Noch nie in der Geschichte hatte ein ehemaliger Präsident nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus so viel Einfluss. Trump erkennt seine Niederlage immer noch nicht an und denkt nicht im Traum an Rückzug. ... Im Gegenteil, er hält sich die Möglichkeit offen, im Jahr 2024 für das Präsidentenamt zu kandidieren. ... Die Herausforderung für Biden ist gewaltig, denn wenn er trotz Mehrheit im Repräsentantenhaus und der Unterstützung der Hälfte des Senats schon erhebliche Schwierigkeiten hatte, seine Ziele zu erreichen, fragt man sich, wie seine Situation in einem Jahr [nach den Midterm-Wahlen] aussehen könnte, sollten die Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern wiedererlangen.“

Politiken (DK) /

Wahlreform dringend nötig

Um Schaden von der Demokratie abzuwenden, rät Politiken den US-Demokraten, dringend zu handeln:

„Dass Trump wiedergewählt werden könnte, ist eine Gefahr, vor der niemand die Augen verschließen sollte. Wenn er zurückkommt, wird er der amerikanischen Demokratie nicht wieder gut zu machenden Schaden zufügen. ... In den USA müssen die Demokraten jetzt alles daran setzen, die Wahlreform durchzubringen, durch die die Bedeutung des Geldes verringert wird, und die es erschwert, Wahlkreise zu manipulieren und Menschen von der Wahl auszuschließen. Auf internationaler Ebene ist es schwieriger, etwas zu tun, aber als enge Verbündete der USA sollten wir Biden unterstützen, soweit es geht. Die Folgen eines Niedergangs der Demokratie in den USA wären völlig unvorhersehbar.“