Suisse Secrets: Schweizer Bankenplatz im Visier

Die Schweizer Bank Credit Suisse soll zwischen 1940 und den 2010er Jahren Autokraten, Drogendealer, mutmaßliche Kriegsverbrecher und Menschenhändler als Kunden akzeptiert haben. Das ergab eine Großrecherche des Journalistennetzwerks OCCRP zu geleakten Daten von mehr als 18.000 Konten. An der Auswertung waren auch die Süddeutsche Zeitung, The Guardian und Le Monde beteiligt. Europas Presse fordert Konsequenzen.

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La Stampa (IT) /

Moralischer Bankrott

Die Suisse Secrets unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von früheren Datenleaks, kommentiert der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz in La Stampa:

„Diesmal handelt es sich nicht um eine kleine, obskure Offshore-Insel oder ein angeschlagenes Entwicklungsland, das versucht, ein alternatives Geschäftsmodell zu Drogen zu finden. Es handelt sich um eine große Bank mitten in Europa, in einem der wohlhabendsten Länder der Welt, einem Land, in dem 'Rechtsstaatlichkeit' herrschen soll. Dies ist umso enttäuschender, als das Land und die Bank versprochen haben, transparent zu sein und sich zu bessern. Und genau das ist der Punkt: Ohne mehr Transparenz kann es keine Rechenschaftspflicht geben.“

Le Temps (CH) /

Abwehrhaltung hilft nicht weiter

Die Schweiz muss ihr Bankwesen jetzt kritisch hinterfragen, anstatt die Vorwürfe schönzureden, findet Le Temps:

„Auf die etwas übertriebenen Angriffe werden wir sofort mit Verharmlosung reagieren und sagen, dass es sich um alte Konten und mittlerweile nicht mehr übliche Praktiken handelt, und wir werden uns hinter Verschwörungstheorien über eine angebliche Offensive gegen die Schweiz verschanzen. Eine Haltung, die uns daran hindern wird, eine gesunde Diskussion über unsere Rolle als Finanzplatz zu führen, Lehren aus diesem Datenleck zu ziehen, - falls gerechtfertigt - Untersuchungen einzuleiten und uns gegebenenfalls zu ändern, ohne auf neue Skandale und neuen Druck von außerhalb zu warten.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Weg mit dem Maulkorb für Journalisten

Arthur Rutishauser, der Chefredakteur des Tages-Anzeigers, bedauert, dass Schweizer Medien sich an der Recherche nicht beteiligen konnten:

„Vor gut zehn Jahren stand das Schweizer Bankgeheimnis unter dem Dauerbeschuss der USA, Deutschlands, Grossbritanniens und Frankreichs. ... Das war das Umfeld, in dem bürgerliche Politiker 2014 im Parlament ein rigoroses Gesetz zur Verteidigung des Bankgeheimnisses durchsetzten ... auch explizit gegen Veröffentlichung von Bankdaten in den Medien. ... Genau darum braucht es auch in der Schweiz Journalistinnen und Journalisten, die recherchieren dürfen. Dass das nur ausländische Kollegen für uns erledigen müssen, ist eine Schande. Darum gehört der Maulkorb-Artikel im Bankgesetz dringend abgeschafft.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Brüssel muss den Druck erhöhen

Um derartige Geschäfte zu unterbinden, muss die EU ihre Gleichgültigkeit aufgeben, fordert die taz:

„In den EU-Staaten gelten bereits Regeln, die deutlich strenger als die der Schweiz sind. Die EU arbeitet derzeit daran, sie für alle Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Das Problem: Für den Nichtmitgliedstaat Schweiz gelten die Regeln nicht. Und das Land weigert sich bisher, mehr zu tun. Das ist sein gutes Recht - und gerade das verschwiegene Bankwesen ist eines der Geschäftsmodelle des Landes. Der Druck muss hoch sein, um Veränderungen zu bewirken: So könnte die EU die Schweiz in der Liste der riskanten Drittstaaten als Hochrisikogebiet einstufen; Geschäfte mit Banken würden dadurch empfindlich erschwert.“

NRC (NL) /

Des einen Bankgeheimnis ist des anderen Steuerrecht

NRC Handelsblad nimmt die Veröffentlichung zum Anlass, auf Probleme mit Geldwäsche in den Niederlanden zu verweisen:

„Die Jagd auf falsches oder schwarzes Geld ist unlösbar verbunden mit der Schaffung eines gemeinsamen Spielfeldes im internationalen Steuerrecht - wobei die Niederlande mit ihren Steuerschleichwegen und Briefkastenfirmen selbst noch viel zu tun haben. ... Die Aufgabe der Banken ist vor allem, die Wirtschaft und die Unternehmen mit finanziellen Diensten zu versorgen, die nötig sind, um Geschäfte zu machen. Wenn das sauber, effizient und transparent geschieht, dann schafft das den größten Wohlstand. “