Ukraine-Konflikt: Wie soll Europa sich verhalten?

Die jüngste Eskalationsstufe Russlands im Ukraine-Konflikt hat Staaten in Europa und aller Welt alarmiert. Großbritannien warnte bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates vor einem drohenden humanitären Desaster, Deutschland kündigte entschiedene Maßnahmen mit schwerwiegenden Folgen an. Europas Presse stellt grundsätzliche Überlegungen zur Sicherheitspolitik an.

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Sabah (TR) /

Die Nato ist kein Sicherheitsgarant

Die Staaten Europas müssen jetzt wirklich aufpassen, meint Politikwissenschafter Hasan Basri Yalçın in Sabah:

„Viele Länder wollen glauben, dass sie in Sicherheit sind, weil sie sich unter der Schirmherrschaft der Nato befinden. Zumindest hoffen sie das, aber sie sind sich nicht sicher. Denn Russland wird nach der Ukraine andere Nato-Verbündete mit nicht-konventionellen Methoden bedrohen. Es wird versuchen, über die Minderheiten in diesen Ländern Chaos zu stiften und anschließend hybride Kriegstechniken einsetzen, um einen Machtwechsel dort zu erreichen. Das bedeutet, dass die Nato eben nicht automatisch eingreift. Ich meine, dass Putin das ausnutzt. So kann sich das Ziel des russischen Expansionismus nach Europa verlagern.“

Diário de Notícias (PT) /

Frieden hat seinen Preis

Es gibt drei Lehren aus der Krise, meint Diário de Notícias:

„Erstens: Krieg ist keine Sache der Vergangenheit oder eines fernen Landes, Krieg ist immer möglich. Zweitens: Die europäische Sicherheit wird nicht gegen die oder trotz der Nato und der Amerikaner geschaffen. Es ist ein Unterschied, ob wir mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen oder ob wir denken, dass wir eine Art friedlicher, kommerzieller und fast gleichberechtigter dritter Weg sind. Das sind wir nicht. ... Aber wir müssen [drittens] einen gewissen Preis für unsere Sicherheit und für den globalen Status zahlen, den wir auch haben wollen. ... In Form von Gaspreisen, Importkosten oder Exportverlusten wird es so sein müssen.“

Tygodnik Powszechny (PL) /

Ostmitteleuropäische Perspektive setzt sich durch

Tygodnik Powszechny meint:

„Paradoxerweise hat all das auch eine gute Seite. Jahrelang haben Polen und die baltischen Staaten erfolglos versucht, mit ihrem von totalem Misstrauen gegenüber Putin geprägten Narrativ den Weg in den europäischen Mainstream zu finden. Der Westen hat sich unserer Stimme gegenüber eher taub gestellt (z. B. in Bezug auf Nord Stream 2) und hat der Modernisierung und Vergrößerung der russischen Armee tatenlos zugesehen. ... Heute sind russische Eliteeinheiten, die von der chinesischen Grenze verlegt wurden, in Belarus stationiert. ... Einerseits erschrecken diese Schritte den Westen, andererseits bedeuten sie, dass selbst die bisherigen Befürworter einer vorsichtigen Politik gegenüber Russland - Frankreich und Deutschland - Putin nun mit anderen Augen sehen.“