Antisemitismus-Eklat auf der Documenta

Ein Wandbild mit klischeehaften antisemitischen Darstellungen hat auf der Kunstmesse Documenta in Kassel heftigen Ärger verursacht: Das Wimmelbild der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi wurde inzwischen abgehängt. Das Künstlerkollektiv entschuldigte sich. Was darf Kunst und wo beginnt Propaganda?

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Die Presse (AT) /

Kollektiv entzieht sich der Verantwortung

Dass sich die Verantwortlichen hinter einem Kollektiv verstecken, ärgert Die Presse:

„Freiheit, auch in der Kunst, ist auf Verantwortung angewiesen. Darauf, dass der freie Akteur - und eben auch der Künstler - versucht, die Konsequenzen seiner Handlungen zu verstehen. Dass er sich als mündiges Individuum versteht und geriert. … Wie fatal es sein kann, darauf zu verzichten, zeigt die erbärmliche Reaktion bei der Documenta auf die Antisemitismusvorwürfe und schließlich auf den konkreten, fraglos skandalösen Fall einer Darstellung, die unverhohlen antisemitische Stereotypen zeigt. … Ein Kuratorenkollektiv - namens Ruangrupa - hat ein Künstlerkollektiv - namens Taring Padi - eingeladen, und niemand ist schuld. … Genau das ist das Problem mit kollektiven Entscheidungen.“

Der Freitag (DE) /

Keine Propagandaschau

Die Wochenzeitung Freitag fordert mehr Reflexion:

„Die Bilder sind schlechte Kunst. Sie arbeiten mit einer plump-offensichtlichen Bildsprache, ohne den Betrachter auch nur im Geringsten zu Reflektion oder gar - oh graus, westliches Kunstverständnis! - ästhetischer Erfahrung anzuregen. ... Kurz gesagt: Sie sind Propaganda. Wo und wie genau die Grenze zwischen Kunst und Propaganda verläuft - ist ein anspruchsvoll bemaltes Transparent, das bei einer Demonstration zum Einsatz kommt, Kunst? - ist eine interessante Frage, der sich ein kluges Kuratorenteam hätte stellen können. Denn die Documenta ist eine Kunst- und keine Propagandaschau.“

Der Spiegel (DE) /

Kunst kann auch schiefgehen

Der Spiegel würde gerne aus dem Streit die heiße Luft herauslassen:

„Natürlich wäre es besser gewesen, die betreffenden Künstler wären nicht nach Kassel eingeladen worden. Aber jetzt sind sie nun mal da. Und mit ihnen ihre Kunst. Die Freiheit der Kunst gilt auch für schlechte Kunst. Denn damit haben wir es hier zu tun. Klischeemäßig schlechte Kunst. Eindimensionale Propagandakunst, die so armselig ist, dass sie beim Publikum wohl eher das Gegenteil von dem erreichen wird, was ihren Machern vorschwebt. ... Ist es toll, dass dafür Geld des deutschen Steuerzahlers ausgegeben wird? Nein. Aber so kann es bei Kunst eben kommen, manchmal geht es schief.“