Großbritannien: Übernimmt jetzt Rishi Sunak?

Nach dem Rücktritt von Liz Truss braucht Großbritannien einen neuen Premier und die Zeichen stehen günstig für Rishi Sunak. Der Ex-Finanzminister hat weit mehr als die nötigen 100 Abgeordnetenstimmen der Konservativen beisammen, Boris Johnson stieg am Sonntag offiziell aus dem Rennen aus und Fraktionschefin Penny Mordaunt sammelt noch Unterstützervoten. Die Presse hofft auf die Einkehr von Stabilität.

Alle Zitate öffnen/schließen
The Sunday Times (GB) /

Sein Grips wird dringend gebraucht

Für The Sunday Times gibt es jetzt nur eine Option:

„Rishi Sunak ist der einzige Kandidat mit entsprechender Glaubwürdigkeit, um die Konservative Partei unter Kontrolle zu bringen. Der frühere Schatzkanzler lag mit seiner Warnung an Liz Truss richtig, als er sagte: 'Es ist ein Märchen, nicht ein Plan, sich aus einer Inflation herausborgen zu wollen.' Sein wirtschaftlicher Grips würde helfen, die Märkte zu beruhigen, und Großbritannien Zeit verschaffen. ... Wenn die Tories als politische Kraft eine Zukunft haben wollen, dann müssen sie die Verantwortung dafür übernehmen, Großbritannien wieder in geordnete Verhältnisse zurückzubringen. Sie haben es verbockt, jetzt müssen sie es auch wieder gerade richten.“

Irish Independent (IE) /

Ein Kompetenzteam für Stabilität

Wie eine künftige Regierung unter Rishi Sunak aussehen könnte, überlegt Irish Independent:

„Der ehemalige Schatzkanzler ist ein kompetenter Politiker, der eindringlich vor dem törichten wirtschaftlichen Experiment von Truss und ihrem unglückseligen Schatzkanzler Kwasi Kwarteng warnte. ... Das Vereinigte Königreich braucht dringend eine Periode politisch anhaltender Ruhe, um Ordnung ins Haus zu bringen, bevor in zwei Jahren planmäßig die nächsten Wahlen stattfinden. Aktuell würde Labour haushoch gewinnen. ... Der kompetente Sunak, gemeinsam mit dem gemäßigten Schatzkanzler Jeremy Hunt und mit Mordaunt im Außenministerium, wäre die beste Hoffnung auf eine Wiederherstellung von Stabilität – etwas, das sich die ungläubig zuschauende Welt von Herzen wünscht. “

Kauppalehti (FI) /

Verantwortungsvolle Politik gefragt

Regierungen sind auf das Vertrauen der Bürger angewiesen, erinnert Kauppalehti:

„Großbritannien scheint den gleichen Weg des Populismus eingeschlagen zu haben wie Italien und die USA unter Trump. Es ist typisch für den Populismus, dass er keine Ratschläge von Experten annimmt. Um gesehen und gehört zu werden, lassen sich Politiker zu unverantwortlichen Versprechungen und Extremen hinreißen. Die Reaktion der Märkte auf die von Truss versprochenen überhöhten Steuersenkungen zeigt, dass der Verschuldung Grenzen gesetzt sind und dass eine verantwortungsvolle Politik ihren Platz hat. Eine Regierung kann nicht regieren, wenn sie nicht das Vertrauen des Volkes und der eigenen Anhänger hat.“

Interia (PL) /

Zum Glück ist die Alternative nicht Corbyn

Das Online-Portal Interia reflektiert den Zustand der Parteienlandschaft:

„Die Tories liegen heute in den Umfragen auf einem historischen Tiefstand von 20 Prozent und haben einen historischen Rückstand von 30 Prozentpunkten auf Labour. Glücklicherweise ist der heutige Labour-Vorsitzende der zentristische, realistisch sozialdemokratische und dem demokratischen Westen treue Keir Starmer und nicht der Pro-Putin-Kommunist Jeremy Corbyn, dessen einzige 'positive' Idee sein Hass auf Amerika war. Sollte der populistische Müllhaufen, in den Boris Johnson die einst konservativen Tories verwandelt hat, heute die Mehrheit im Vereinigten Königreich verlieren, würde dies weder für die Ukraine noch für Polen oder den Westen eine zusätzliche Gefahr darstellen.“

Diena (LV) /

Zeit der pompösen Politiker ist zu Ende

Die Diena hofft auf "echte" Staatslenker:

„Es ist auch möglich, dass das Vereinigte Königreich vor vorgezogenen Parlamentswahlen steht, wobei unklar ist, ob eine Wahl das Chaos beenden kann. Eine andere Frage ist: Wie kommt es, dass in einer schwierigen Situation für das Land eine Politikerin in die verantwortungsvollste Position gelangt, die eindeutig dafür ungeeignet ist? Auch das Beispiel von Liz Truss zeigt, dass die Zeit der sogenannten triumphalen Politiker sich dem Ende zuneigt, und es wird erwartet, dass echte Politiker sie ersetzen. Wenn es noch welche gibt, und nicht nur in Großbritannien.“

The Economist (GB) /

Tories sind nicht mehr regierungsfähig

Jetzt braucht es einen Machtwechsel, meint The Economist:

„Die Tories sind aufgrund der Zersetzung durch den Brexit und der schieren Erschöpfung von zwölf Jahren an der Macht nahezu regierungsunfähig geworden. Liz Truss hat recht, wenn sie fehlendes wirtschaftliches Wachstum als Großbritanniens größtes Problem bezeichnet. Doch Wachstum hängt nicht von wunderlichen Plänen und lautem Getöse ab, sondern von einer stabilen Regierung, einer durchdachten Politik und politischer Einheit. In ihrem jetzigen Zustand können die Tories das nicht leisten.“

Le Soir (BE) /

Völlig planlos

Inkompetenz und schließlich auch Feigheit lastet Le Soir der zurückgetretenen Premierministerin an:

„Die Macht, als wäre sie eine Spielshow, ausgeübt ohne Erfahrung, ohne Überlegung, ohne Strategie, ohne Gedächtnis. Nur eine 'geniale' Idee, die man einem ganzen Land aufzwingt, aber nicht den Anstand hat, dazu zu stehen und erst zurückzutreten, wenn man völlig in die Enge getrieben ist.“

ABC (ES) /

Weltfremde Elite

ABC erkennt, wie schlecht es um die britische Demokratie steht:

„Truss' Sturz ist auch das Ergebnis einer schlecht gelösten politischen Krise, die mit dem Ausgang des Brexit-Referendums begann. ... Liz Truss ist das ernüchternde Beispiel dafür, dass eine nur von Parteimitgliedern gewählte Übergangspremierministerin ohne Wählerzustimmung kein radikales Programm aufstellen kann. ... 'The Economist' verspottete Truss mit 'Welcome to Britaly'. Es ist eine Zurschaustellung des Überlegenheitskomplexes einer Nation, die sich selbst als Wiege der liberalen Demokratie und der modernen Marktwirtschaft betrachtet, die aber in Wirklichkeit Bände darüber spricht, wie weltfremd ihre herrschenden Eliten heute sind.“

El Periódico de Catalunya (ES) /

Lessons learned

Eine ganze Liste von Lehren für die übrigen Länder in Europa hat El Periódico de Catalunya parat:

„Wie schlecht die EU auch funktionieren mag, das Leben außerhalb ist schlimmer. Die eigenen Missstände einem Dritten in die Schuhe zu schieben, kommt teuer zu stehen. Es gibt keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme. ... Personen wegen des Scheiterns ihrer Politik zu diskreditieren, führt zur Selbstzerstörung der politischen Klasse. Verhandeln heißt nicht erpressen, und das gilt für Koalitionsregierungen ebenso wie für Handelspartner. Die lauteste Stimme an die Spitze zu stellen, heißt nicht, dass sie sich durchsetzen wird.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Konstruktive Brexit-Vision muss her

Nicht nur die Tories stehen vor einer riesigen Aufgabe, meint die Neue Zürcher Zeitung:

„Auch wenn sich all die süssen Versprechungen der Brexit-Hardliner bisher nicht erfüllt haben und sich vielfach Ernüchterung breitmacht - der Austritt aus der EU ist eine Tatsache. Jetzt braucht es Politiker, die eine realistische und attraktive Vision für Grossbritannien entwickeln und umsetzen. ... Dass dem neuen Parteichef, wer auch immer es sein wird, in der verbliebenen Zeit bis zur nächsten Parlamentswahl dieser ... Schritt gelingen wird, ist kaum zu erwarten. ... Aber er oder sie kann sich trösten: Nicht nur die Tories, auch Labour und die kleineren Parteien tun sich mit einer redlichen, konstruktiven und optimistischen Vision für Brexit-Britannien schwer.“

Deník (CZ) /

Daumen drücken, egal wem

Deník kann der Regierungskrise in London nichts Positives abgewinnen:

„Trotz des Brexits ist Großbritannien in vielerlei Hinsicht ein Schlüsselland Europas. Es spielt nach den USA die wichtigste Rolle bei der Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression. Auch für die EU ist es nach wie vor ein wichtiger Wirtschafts- und Sicherheitspartner. ... Deshalb müssen wir den Briten die Daumen drücken, dass sie die politische Krise so schnell wie möglich überstehen und endlich einen guten Premierminister finden, der dem Land den dringend benötigten politischen und wirtschaftlichen Frieden zurückgeben kann. Ob das nach vorgezogenen Neuwahlen geschieht oder ob die Konservativen es zum dritten Mal schaffen, ist dabei völlig egal.“