Kommentar

Der syrische Sumpf erreicht gerade eine neue Dimension

Iran liefert sich in Syrien einen Schlagabtausch mit Israel. Das wird früher oder später auch die Vereinigten Staaten und Russland zu einer Entscheidung zwingen.

Christian Weisflog
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Militärposten nahe der syrisch-israelischen Grenze bei Majdal Shams am Golan. (Bild: Ammar Awad / Reuters)

Militärposten nahe der syrisch-israelischen Grenze bei Majdal Shams am Golan. (Bild: Ammar Awad / Reuters)

Kurz nach Beginn des russischen Luftkrieges in Syrien vor zweieinhalb Jahren warnte der damalige amerikanische Präsident Barack Obama seine geopolitischen Gegenspieler: «Beim Versuch, Asad zu stützen, werden Russland und Iran wie in einem Sumpf steckenbleiben.» Je länger jedoch die militärischen Erfolge des syrischen Regimes und seiner Verbündeten anhielten, desto mehr wurde Obama für seine düstere Prognose belächelt. Bis am vergangenen Wochenende nach einer iranischen Provokation ein israelischer Kampfjet von der syrischen Flugabwehr abgeschossen wurde. Der Vorfall macht deutlich: Der syrische Sumpf erreicht gerade eine neue Dimension. Der Morast ist so feucht und tief, dass sich auch die USA seinem Sog nicht mehr einfach entziehen können. Denn einer seiner grössten Verursacher ist mittlerweile Iran selbst, und sein neustes Opfer ist Israel, Washingtons engster Verbündeter im Nahen Osten.

Israels Luftwaffe hat in den vergangenen Wochen und Monaten mit stillschweigender russischer Billigung wiederholt Ziele in Syrien bombardiert. Vermutlich ging es dabei vor allem darum, iranische Waffenlieferungen an die libanesische Hizbullah-Miliz zu unterbinden. Die Auseinandersetzung am Wochenende verlief laut israelischen Angaben indes nach einem neuen Drehbuch: In der Nacht auf Samstag starteten iranische Revolutionsgarden bei der syrischen Oasenstadt Palmyra eine Drohne, die am frühen Morgen in den israelischen Luftraum eindrang und dort von einem israelischen Helikopter abgeschossen wurde. Wenig später bombardierten vier israelische Kampfjets den Startplatz der iranischen Drohne in der syrischen Wüste, einer von ihnen wurde von einer syrischen Flugabwehrrakete abgeschossen, worauf die israelische Luftwaffe als Vergeltung acht syrische und vier iranische Ziele in Syrien angriff. Israel wollte offenbar noch weiter bombardieren. Aber ein Telefonanruf des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in Jerusalem soll die Gemüter dann besänftigt haben.

Der Konflikt wird damit aber kaum beendet sein, vermutlich war es erst der Beginn. Iran hat viel investiert im Syrien-Krieg. Seine Milizen sind praktisch zu Asads Bodentruppen geworden. Als Gegenleistung will Teheran eine permanente Präsenz mit Militär- und Marinebasen in Syrien. Damit würde die schiitische «Achse des Widerstands» von Iran über den Irak, Syrien bis nach Libanon endgültig zementiert. Für die Islamische Republik gilt dieser weitreichende Stachel bis an Israels Nordflanke als strategische Lebensversicherung. Der unerbittliche Kampf gegen das «zionistische Gebilde» ist zudem Teil der eigenen Identität und Legitimierung. Deshalb sieht die israelische Regierung im wachsenden iranischen Einfluss in Syrien eine existenzielle Bedrohung. Unter anderem fürchtet sie den Bau iranischer Raketenfabriken und Abschussrampen. Israel hat deshalb angekündigt, permanente iranische Basen in Syrien militärisch anzugreifen.

Das alles bringt Russland in die Zwickmühle. Es versuchte bisher, Israel zu beschwichtigen. Unter anderem garantierte Putin, dass keine iranischen Milizen in der Nähe der Golanhöhen an der Grenze zu Israel stationiert werden. Doch offensichtlich wachsen in der israelischen Führung die Zweifel, ob der Einfluss des Kremls auf Teheran wirklich ausreicht, um Iran im Zaum zu halten. Eine grosse israelische Militäraktion in Syrien allerdings würde Moskau zu einer äusserst schwierigen Wahl zwingen: entweder mit oder gegen Israel, mit oder gegen Iran, mit oder gegen Asad.

Für einen Frieden in der Region und nicht zuletzt die Nachhaltigkeit des Atomabkommens muss Iran in Syrien auf irgendeine Weise in Schach gehalten werden. So bedrohlich der syrische Sumpf auch sein mag, diese Aufgabe können die USA und Europa nicht alleine Israel überlassen.

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