Islam-Debatte:Seehofer hat es nicht begriffen

Bundestag

Seehofer will zwar nicht, wie die AfD, Minarette verbieten. Aber er hat offenbar auch nichts dagegen, wenn man ihm so etwas zutraut.

(Foto: dpa)

Der Streit, den der neue Innenminister ausgelöst hat, und seine Starrsinnigkeit berühren die Grundlinien der Regierungspolitik. Seehofer wiederholt seine Fehler aus dem Wahlkampf.

Kommentar von Heribert Prantl

Seehofers Satz, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, ist ungefähr so richtig wie der Satz, dass der Streit nicht zur Union gehört. Es handelt sich jeweils um eine Lüge wider den Augenschein. Aber bei Seehofers Satz geht es ja nicht um richtig oder falsch, auch nicht um Geschichte und Gegenwart, sondern um Stimmungen. Seehofer versucht, islamkritische Stimmungen abzugreifen, die es in Deutschland zuhauf gibt. Seehofer will zwar nicht, wie die AfD, Minarette verbieten. Aber er hat offenbar auch nichts dagegen, wenn man ihm so etwas zutraut.

Für einen Minister, der für den inneren Frieden zuständig ist, ist das heikel und gefährlich. Es ist richtig, wichtig und begrüßenswert, dass Seehofer die Islamkonferenz, die einst Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen hat, fortsetzen will. Er kann dann aber nicht zugleich das Missverständnis befördern, er wolle den Islam aus dem Land schaffen. Seehofer will, so sagt er, seine Politik "nicht um ein Jota ändern".

Da hat er recht; es geht nicht nur um ein Jota, um eine Kleinigkeit also; es geht um das Große und Ganze, es geht um das Gemeinwesen. Es geht darum, dass ein Innenminister nicht den inneren Frieden stören darf. Er muss ihn befördern. Und er braucht, um für Sicherheit zu sorgen, den Islam als Partner, er braucht ihn auch, um gegen islamistische Verirrungen einzuschreiten. Die De-Radikalisierung der Islamisten schafft man nur zusammen mit den Muslimen in Deutschland, zusammen mit Präventionsnetzen, Moscheegemeinden und muslimischen Autoritäten.

Der Innenminister verletzt die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin

Horst Seehofer ist schon so lange im Geschäft, dass ihm die politischen Erfahrungssätze so geläufig sind wie die Zehn Gebote. Ein solcher Erfahrungssatz ist der, dass eine große Koalition die Ränder stark macht. Um mit seiner Partei davon zu profitieren, hat sich der CSU-Chef gleich zum Auftakt seiner Ministerzeit auf den Rand gesetzt. Das gehört sich zwar nicht; aber der Satz, dass der Zweck die Mittel heiligt, gehört zu den Leitsätzen der CSU. Das ist nichts Neues.

Neu ist aber, dass Seehofer Bundesinnenminister ist; Sätze, die er in diesem Amt sagt, haben ein anderes Gewicht und eine andere Wirkkraft als die Sätze eines CSU-Chefs. Seehofer spricht mit der Autorität des Verfassungsministers; das darf nicht in einer Weise geschehen, die sowohl dem Grundgesetz als auch der Grundlinie der Regierungspolitik widerstrebt.

Der Streit, den Seehofer ausgelöst hat, und die Starrsinnigkeit, die er dabei an den Tag legt, berühren die Grundlinien der Regierungspolitik. Im Grundgesetz heißen sie Richtlinien: "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik", so steht es in Artikel 65. Angela Merkel hat das mittlerweile mehrere Male versucht und in einer für sie ungewöhnlicher Deutlichkeit dem Seehofer'schen Diktum widersprochen; der hat darauf beleidigt reagiert. Mit seinem "Kein Jota"-Satz stellt er die Richtlinienkompetenz infrage. Das kann eskalieren, das kann die Koalition gefährden.

Vorderhand gefährdet Seehofer, wie jüngste Umfragen zeigen, den Erfolg der CSU. Auch das gehört nämlich zu den politischen Erfahrungssätzen: Ein eskalierender Streit in der Migrations- und Integrationspolitik schadet CDU wie CSU und beflügelt die AfD. Das ist auch die Lehre aus der Bundestagswahl; Seehofer hat sie nicht begriffen. Er will seine Fehler aus diesem Wahlkampf wiederholen.

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