Puigdemont:Die Richter bringen die deutsche Politik in Bedrängnis

Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Schleswig bricht das Vorwurfs-Konstrukt gegen den katalanischen Ex-Regierungschef zusammen. Die deutsche Politik kann sich nicht länger hinter der Justiz verstecken.

Kommentar von Heribert Prantl

Das ist kein ganzer Freispruch, aber das ist so gut wie ein halber. Offiziell ist zwar nur der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, es sind also nicht die Vorwürfe gegen Puigdemont getilgt. Für eine solche Tilgung ist das deutsche Gericht auch nicht zuständig. Aber wer die Gepflogenheiten kennt, der weiß: Hinter dem Spruch der deutschen Richter stehen gewaltige Zweifel, die deutschen Richter haben schweres rechtliches Bauchweh. Der von Spanien ausgestellte Europäische Haftbefehl ist für die deutschen Richter ein suspektes Papier. Sie haben daher den Vorwurf der Rebellion aus dem Auslieferungshaftbefehl gestrichen; auf diesen Vorwurf, so sagen sie mit überraschender Klarheit, lässt sich ein Auslieferungshaftbefehl nicht stützen.

Die Richter gründeten den von ihnen erlassenen und sofort außer Vollzug gesetzten Auslieferungs-Haftbefehl nur auf den von den spanischen Behörden erhobenen Vorwurf der Untreue. Aber auch dieser Vorwurf wackelt jetzt, weil diese Untreue ja im Zusammenhang mit den Rebellionsvorwürfen stand und steht. Wenn die Rebellion keine rechtliche Substanz hat, dann kann auch die damit zusammenhängende Untreue nicht mehr viel wiegen. Die spanischen Behörden haben die angebliche Untreue ja unter anderem mit den Kosten der Volksabstimmung in Katalonien begründet.

Mit der Entscheidung in Schleswig bricht nun eigentlich das gesamte Vorwurfs-Konstrukt gegen Puigdemont zusammen. Es ist sehr deutlich: Die Richter am Oberlandesgericht Schleswig haben gewaltige Zweifel an der Substanz der gesamten Vorwürfe. Diese Vorwürfe mögen nach spanischem Recht stichhaltig sein; nach deutschem Recht macht man damit keinen Stich. Das ist die Aussage der Richter in Schleswig.

Ein hammerharter Satz der Richter

Das dem Verfolgten Puigdemont als Rebellion zur Last gelegte Verhalten "wäre in der Bundesrepublik Deutschland nach geltendem Recht nicht strafbar" - so sagen es die Richter. Das ist ein hammerharter Satz. Das ist zwar keine Grundsatzkritik an der Rechtsstaatlichkeit Spaniens, das ist gleichwohl eine klare Aussage. Das ist ein Satz, der deutlich macht, dass die europäischen Gepflogenheiten die deutschen Richter nicht dazu verdammen, ihre eigenen Zweifel hintan zu stellen. Eine Auslieferung darf nicht ein nur über den Daumen gepeilter Rechtsakt sein. Eine Auslieferung ist keine Verbeugung, die man einem anderen EU-Staat schuldet. Ein EU-Staat schuldet dem anderen Respekt und Anerkennung - aber nicht den Verzicht auf eine sorgfältige juristische Prüfung. Dafür sind die Richter in Schleswig zu loben.

Es mag sein, dass die deutsche Politik nun in gewisse Schwierigkeiten kommt. Die Bundesregierung hat sich bisher hinter der Justiz versteckt. Aber die Richter sind nicht dafür da, der deutschen Politik Schwierigkeiten zu ersparen und die Folgen von politischen Versäumnissen juristisch zu kaschieren. Der Konflikt in Spanien harrt einer politischen Lösung - dabei muss europäische Politik, dabei muss deutsche Politik helfen. Die Richter in Schleswig waren und sind nicht dafür da, Nothelfer der Politik zu spielen und bei diesem Spiel rechtliche Bedenken unter den Tisch zu kehren.

Wenn es gut geht, wenn es ganz gut geht, dann ist der Spruch der deutschen Richter der Beginn für eine politische Lösung, der Einstieg in Verhandlungen. Mittels Strafrecht lassen sich die spanischen Probleme nicht lösen.

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