Kommentar

Italiens nächste Wahl wird zum Euro-Plebiszit

Präsident Mattarella hat eine Populisten-Regierung verhindert, weil er von ihr eine zerstörerische Politik erwartete. Die Italiener stehen vor einem Grundsatzentscheid.

Andres Wysling
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Italiens Präsident Mattarella erklärt, warum er keinen Euro-kritischen Finanzminister ernennen will. (Bild: Fabio Frustaci / ANSA / AP)

Italiens Präsident Mattarella erklärt, warum er keinen Euro-kritischen Finanzminister ernennen will. (Bild: Fabio Frustaci / ANSA / AP)

Sie wollen den Präsidenten absetzen, sie fordern Neuwahlen – und sie drohen mit einem Aufstand. Luigi Di Maio warnt vor den «Reaktionen der Bevölkerung», Matteo Salvini verwendet die Formel «Oder wir gehen nach Rom». Das ist ein kaum verhüllter und sicher nicht zufälliger Rückverweis auf Mussolinis «Marsch auf Rom» vor knapp hundert Jahren. Die beiden Anführer der Cinque Stelle und der Lega fühlen sich stark, sie wissen zwei mächtige Volksbewegungen von Unzufriedenen hinter sich. Sie wollen den Schwung nutzen und die von ihnen angekündigte Revolution in Gang bringen.

Regierungsauftrag an Cottarelli

(dpa) Der Wirtschaftsexperte Carlo Cottarelli soll Italien aus der Krise führen. Staatspräsident Sergio Mattarella beauftragte den ehemaligen Direktor beim Internationalen Währungsfonds am Montag, eine Expertenregierung zu bilden. Diese könnte das Land dann zu einer Neuwahl führen.

Nach fast drei Monaten intensiver Verhandlungen scheiterte die Regierungsbildung schliesslich an einer – allerdings bedeutungsvollen – Personalie. Salvini wollte, mit der Unterstützung Di Maios, unbedingt den Euro-Kritiker Paolo Savona als Finanzminister installieren. Das war eine klare Ansage an alle übrigen Länder im Euro-Verbund: Entweder ihr hebt die Budgetdisziplin auf und gewährt Italien einen Schuldenschnitt, oder wir verlassen den Euro. Diese Zumutungen oder Erpressungen standen zwar nicht im nun obsoleten Regierungsprogramm von Cinque Stelle und Lega, sie waren aber im ominösen Entwurf dazu enthalten. Und mit dem Beharren auf der Kandidatur Savona wurden sie erneuert.

Präsident Sergio Mattarella wollte dieses gefährliche Spiel beenden und weigerte sich, Savona als Finanzminister zu bestätigen. Als Verfassungsjurist argumentierte er mit der Verfassung: Diese schütze die Ersparnisse der Italiener und verlange die Einhaltung internationaler Verträge; wäre Savona Finanzminister, würden beide Grundsätze infrage gestellt. Er verwies dabei auf den Kursrückgang an der Börse – vor allem Bankentitel sind betroffen – und die Erhöhung des Spreads in den letzten Tagen (der Differenz zwischen den Zinssätzen für italienische und deutsche Staatsanleihen).

Mattarella ist jetzt der Buhmann der Populisten. Er eignet sich als Zielscheibe: Für sie wurde er vom alten Parlament ins Amt gesetzt, er ist das letzte Bollwerk der Zweiten Republik und der «alten» Politik. Er steht der «neuen» Politik und der schon ausgerufenen Dritten Republik im Weg, er verhindert die Umsetzung des in den Wahlen manifestierten Volkswillens – das behaupten die Populisten.

Das politische System Italiens wird gerade von einem institutionellen Konflikt durchgeschüttelt: Der Präsident stellt sich gegen die Mehrheit im Parlament. Die Grundsatzfrage aber lautet: Soll Italien eine Regierung erhalten, der man zutrauen muss, dass sie das Land absichtlich in den Staatsbankrott führt? Diese Frage wird wohl in einigen Monaten neu gestellt, bei den absehbaren Neuwahlen. Die Wähler werden dann entscheiden, ob sie die Populisten weiter stärken wollen oder ob sie Experimenten mit absehbar verheerendem Ausgang eine Absage erteilen. Der Wahlkampf dürfte zum Plebiszit über den Euro werden.

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