Das kleine Dänemark markierte oft globale Umbrüche und war dem deutschen Nachbarn nicht selten voraus. Beispielsweise im Dezember 1849, als alle „unbescholtenen Männer über 30 Jahren“ erstmals den Folketing, die Volksversammlung, wählten. Die Deutschen durften erst ab 1867 im Norddeutschen Bund für ein gesetzgebendes Parlament votieren.
Oder 1967. Da wurde in Dänemark als erstem Staat der Welt das gesetzliche Verbot pornografischer Schriften aufgehoben, zwei Jahre später wurden auch „erotische Abbildungen und Gegenstände“ erlaubt. Aus anderen europäischen Landen und den USA pilgerte lustvolles Jungvolk in die liberale Monarchie mit ihrem standardmäßigen Du und Stränden, an denen man sich gern barbusig aalte.
Viel davon ist Geschichte. Der einstige liberale Taktgeber Europas entwickelt sich seit einiger Zeit zum Vorreiter von Restriktionen in der Ausländer- und Asylpolitik. Am Dienstag verkündete Regierungschef Lars Løkke Rasmussen den Plan, abgewiesene Asylbewerber an einem „nicht sonderlich attraktiven“ Ort außerhalb Dänemarks unterzubringen, also gewissermaßen ein extraterritoriales Ankerzentrum einzurichten. Die Diskussionen mit anderen Ländern seien schon „relativ weit“, sagt Rasmussen, Vorsitzender der liberalkonservativen Venstre-Partei.
Das passt in die Landschaft. Mindestens 68 Gesetzesänderungen nur im Bereich der Asyl- und Ausländergesetze hat das Rasmussen-Kabinett seit dem Amtsantritt vor drei Jahren beschlossen. Erst vorige Woche kam ein Burka-Bann in Form eines Verbots hinzu, das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verhüllen. In Frankreich und Österreich gibt es ebenfalls Burka-Verbote, in Belgien in eingeschränkter Form. Dänemarks oppositionelle Sozialdemokraten stimmten dem Gesetz übrigens zu – und gehen noch weiter, indem sie das Asylrecht faktisch abschaffen wollen.
Verliert Dänemark seine liberale Seele? Das ist möglich. Aber die Wahrnehmung der meisten Dänen ist eine andere. Sie fürchten, ihre Kultur, ihr Land und ihre Sicherheit zu verlieren, wenn sie die aktuelle Flüchtlingsbewegung nicht aussperren.
Das mag man aus progressiver Warte als falsch empfinden, bedauern und tadeln. Doch die Dänen liegen hier dicht beim Kurs nicht nur der Polen und Ungarn, sondern auch der Österreicher oder Franzosen. Vielleicht markiert Dänemark schlicht wieder einen europäischen Umbruch, den Deutschland noch zu ignorieren versucht.