Kommentar

Die Antwort auf Trump heisst TTIP

Die Forderung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, die Gruppe der G-7-Industrieländer solle untereinander alle Zölle und Subventionen abschaffen, stellt ziemlich offensichtlich ein Ablenkungsmanöver dar. Dennoch sollte Trump in diesem Fall ernst genommen werden.

Peter A. Fischer
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Der amerikanische Präsident Donald Trump verlässt den G-7-Gipfel in La Malbaie zusammen mit John Kelly, Stabschef des Weissen Hauses, und Sicherheitsberater John Bolton. (Bild: Sean Kilpatrick / AP)

Der amerikanische Präsident Donald Trump verlässt den G-7-Gipfel in La Malbaie zusammen mit John Kelly, Stabschef des Weissen Hauses, und Sicherheitsberater John Bolton. (Bild: Sean Kilpatrick / AP)

Er sei kein Protektionist, sondern für freien und fairen Handel, sagte der amerikanische Präsident Donald Trump zu Jahresbeginn am World Economic Forum in Davos. Doch mit der Behauptung, der Handel sei nicht fair, weil durch Subventionen verzerrt und die nationale Sicherheit gefährdend, hat Trump in letzter Zeit vor allem protektionistische Massnahmen ergriffen. Er droht China mit hohen Importzöllen (und verhängte bereits erste), stellt die Nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) infrage und hat mit Sonderzöllen auf Stahl und Aluminium Amerikas traditionelle Alliierte verärgert. Doch die vereinten Klagen darüber am G-7-Gipfel in Kanada haben Trump wohl nicht allzu sehr beeindruckt. Vor seiner vorzeitigen Abreise beantwortete er sie kurzerhand mit einem radikalen freihändlerischen Vorschlag: Er wolle, dass die G-7-Staaten alle Zölle und Subventionen abschafften, erklärte er. Sonst hätten diese eben auch kein Anrecht auf freien Zugang zum US-Markt.

Eigentlich hätte Trump recht

Trump hat natürlich recht: Ökonomisch gesehen wäre eindeutig ein Welthandelssystem das beste, in dem sich möglichst viele Länder multilateral auf einen durch keine Zölle und Subventionen verzerrten, freien Handel und auf gemeinsame Regeln zur Beseitigung von versteckten Handelshemmnissen einigen. Allerdings hat sich ebendieser amerikanische Präsident nach seiner Wahl als Erstes aus dem mühsam und aufwendig verhandelten Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) verabschiedet und den Wert der Welthandelsorganisation WTO infrage gestellt.

Auch sind die USA Schutzzöllen, Subventionen und Vorschriften, die lokale Produktion erzwingen sollen, selber alles andere als abhold. Das ist zwar nicht erst seit Präsident Trump so, aber dieser wird nicht müde, seinen Wählern zu versprechen, Industriearbeitsplätze in den USA vor ausländischer Konkurrenz zu schützen und – koste es, was es wolle – in die USA zurückzuholen. Ein Bekenntnis zu freiem Wettbewerb und schöpferischer Zerstörung sieht anders aus.

Schlimmeres verhindern

Es gibt somit mehr als genug Gründe, in Trumps Vorschlag ein kaum ernst gemeintes, billiges Ablenkungsmanöver zu sehen. Dennoch wäre es schade, diesen Vorschlag in Bausch und Bogen zu verwerfen. Was sich derzeit abspielt, ist nämlich brandgefährlich, protektionistisch und droht in einen regelrechten Handelskrieg zu münden. So gesehen ist es ein Erfolg, dass sich die G-7 doch noch zu einer Abschlusserklärung zusammenraufen konnte, in der sie sich dazu bekennt, gegen Protektionismus und für ein regelbasiertes internationales Handelssystem zu kämpfen. Auch ein Einsatz zur «Modernisierung» der Welthandelsorganisation (WTO) kann angesichts der amerikanischen Blockaden nicht schaden. Aber weil sich in den letzten Jahren ein eigentlicher Durchbruch im Rahmen der allzu heterogenen, auf Einstimmigkeit angewiesenen WTO als höchst unwahrscheinlich erwiesen hat, täte die G-7 tatsächlich gut daran, sich auf den Nutzen eines umfassenden plurilateralen Freihandelsabkommens in ihrem Kreis zurückzubesinnen.

Ein solcher Freihandelsvertrag könnte und sollte mehr für freien und fairen Handel tun, als nur die Zölle auf null zu setzen. Es geht auch um den Umgang mit neuen Dienstleistungen und um gemeinsame Regeln. Die EU-Mitglieder in der G-7 haben solche Regeln bereits untereinander im Europäischen Binnenmarkt. Ziel für die G-7 müsste es somit sein, eine Brücke über den Atlantik in die USA und nach Kanada und bis nach Japan zu schlagen.

Den Rahmen gibt es schon

Bisher wurde ein solcher Versuch vor allem durch unterschiedliche nationale Vorstellungen zur Landwirtschaft und zur Nahrungsmittelsicherheit gebremst. Doch einen geeigneten Rahmen dafür gibt es schon. Er heisst Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, zu Englisch abgekürzt TTIP.

Mit dem Wechsel zur Administration Trump wurden die Verhandlungen mit der EU dazu ausgesetzt. Es würde sich lohnen, diese trotz allen Vorbehalten wieder aufzunehmen. Denn käme dabei ein umfassendes, gutes Abkommen zustande, wäre das eine freudige Überraschung und ein echter Gewinn an Wohlstand und Sicherheit in der Welt – auch wenn es die Eidgenossenschaft erheblich unter Zugzwang bringen und den Schweizer Bauern wohl wenig Freude bereiten würde.

Sollte sich hingegen herausstellen, dass mit dem erratischen amerikanischen Präsidenten und seiner Administration tatsächlich kein Deal zu machen ist, so liesse sich mit ernsthaften TTIP-Verhandlungen wohl doch zumindest Zeit gewinnen und Schlimmeres verhindern – bis früher oder später bestimmt auch wieder eine Post-Trump-Ära anbricht.