Kommentar

Viktor Orbans Gulasch-Nationalismus strahlt aus in die Nachbarschaft

Viktor Orban ist nicht nur ein gewiefter Machtpolitiker. Mit seiner Ideologie der «illiberalen Demokratie» baut er an einem regionalen Machtzentrum gegen die «Hegemonie der Liberalen» in der EU.

Andreas Ernst
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Dank Orbans Abschottung wird Ungarn von Migranten schon lange umgangen. (Bild: Tamas Kaszas / Reuters)

Dank Orbans Abschottung wird Ungarn von Migranten schon lange umgangen. (Bild: Tamas Kaszas / Reuters)

Mit solchen Streichen überrascht Viktor Orban niemanden mehr: Das ungarische Parlament hat am Mittwoch ein Gesetzespaket verabschiedet, das die Unterstützung von Asylsuchenden als «Beihilfe zur illegalen Einwanderung» mit Gefängnisstrafen büsst. Die Regierung plant zudem, Nichtregierungsorganisationen, die dasselbe tun und Gelder aus dem Ausland beziehen, mit einer Strafsteuer von 25 Prozent zu belegen. Der Schritt liegt auf der jahrelang verfolgten Linie einer xenophoben Politik, die erfolgreich den Zutritt von Migranten verhindert und eine kompromisslose Renationalisierung der Asylpolitik anstrebt. Orban hatte während der Flüchtlingskrise 2015 den Anti-Merkel gegeben, bevor ihm der Österreicher Sebastian Kurz die Schau stahl und die Balkanroute schloss.

Orban gehört nicht zu der von Kurz geplanten «Achse der Willigen», die mit radikalen Mitteln die illegale Migration an den europäischen Aussen- und Binnengrenzen bekämpfen soll. Der Achse soll sich neben Wien und Rom dereinst auch Berlin anschliessen, sollte die deutsche Kanzlerin mit dem Projekt einer europäischen Asylpolitik endgültig scheitern. Dass Ungarn nicht zur Achse gehört, liegt auf der Hand: Dank Orbans Abschottung wird das Land von den Migranten schon lange umgangen. Aber Orban ist deshalb nicht isoliert. Er ist im Gegenteil ein wichtiger Stichwortgeber für die europäische Rechte, und sein Gulasch-Nationalismus dient in der südöstlichen Peripherie als Modell. Im Kampf für ein weisses, christliches Europa und gegen die muslimische «Unterwanderung» ist Orban den Nationalisten auf dem ganzen Kontinent ein Vorbild. Seine Kampagne gegen George Soros, den jüdischen Kapitalisten und «angeblichen Wohltäter», hatte in den 1990er Jahren schon Milosevic geführt, und er findet heute wieder Nachahmer auf dem Balkan.

Dass Orban nicht nur ein Machtpolitiker ist, sondern auch ein produktiver Ideologe, bewies er 2014 mit der Propagierung der «illiberalen Demokratie». Sie wird heute vielerorts in Südosteuropa praktiziert. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat das Konzept schlüssig umgesetzt und regiert ohne wirkliche Kontrolle durch Parlament und Justiz, legitimiert einzig durch das Plebiszit der Bürger. Das traditionell schwierige serbisch-ungarische Verhältnis ist unter den beiden «starken Männern» richtig herzlich geworden. In Mazedonien ist Orban ein wichtiger Verbündeter der Nationalkonservativen. Er mischt innenpolitisch mit und lehnt die Einigung in der Namensfrage mit Griechenland ab. Ausdrücklich lobte er den abgewählten und verurteilten Ministerpräsidenten Gruevski, der «in dunkelster Stunde» Europa mit ungarischem Stacheldraht vor dem Migrantenansturm gerettet habe. Geschäftsleute aus Orbans Umfeld kaufen in Mazedonien Medienunternehmen; wohl ein Hinweis, dass das ungarische Engagement im Südosten auf längere Frist geplant ist. Es waren auch ungarisch finanzierte Medien, mit deren Hilfe der Rechtspopulist Janez Jansa in Slowenien die meisten Stimmen holte. Und Kroatiens Rechte sieht in Orban einen starken Verbündeten, wenn es um die Verteidigung der christlichen Kultur und traditioneller Familienwerte geht. Staunend beobachtet der Balkan, wie der grosse Zampano aus Budapest die Brüsseler und Berliner provoziert und handkehrum EU-Gelder abkassiert. Orban baut zielstrebig an einem regionalen Machtzentrum, mit dem er der ideologischen Vorherrschaft der liberalen Westeuropäer in der EU die Stirn bieten will. In dieser Rolle sollte das kleine Ungarn nicht unterschätzt werden.