In Bayern haben CSU und SPD gewaltige Verluste eingefahren und damit für ihre Teilnahme an der ungeliebten Koalition in Berlin bezahlt. Noch aber können sich die Regierungsparteien nicht von der Kanzlerin lösen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist eine pflichtbewusste Frau. Vermutlich ist sie auch im Amt geblieben, weil sie in einer Welt voller Veränderungen wenigstens in Deutschland für Stabilität und Ordnung sorgen wollte. Die Führung der freien Welt kann man nicht so einfach abgeben. In ihrer vierten Legislatur ist sie aber längst selbst zum Unsicherheitsfaktor geworden.
Wahlen – wie jetzt in Bayern – gehen für die Unionsparteien verloren. In Merkels eigener Partei wächst die Opposition. Gegen den Willen der Kanzlerin wurde Ralph Brinkhaus zum CDU-Fraktionschef gewählt. Es war ein demokratisches Aufbegehren gegen Merkel, die Fraktionsmitglieder wollen endlich mitreden und Politik nicht mehr nur abnicken. Merkels Asylpolitik ist zur Hypothek für die Partei geworden.
Sie hat die AfD erst gross gemacht, auch wenn das viele in der CDU nicht wahrhaben wollen. Gerade dieser Starrsinn ist Teil des Problems. Den CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen fällt nach der Wahl in Bayern nichts Besseres ein, als die CSU für ihre Streitlust zu kritisieren. Sie glauben, allein schlechte Stilnoten hätten die CSU die Stimmen gekostet. Dabei war es auch die Asylpolitik der Bundesregierung, die massgeblichen Anteil am Scheitern hat.
Es ist eine merkwürdige Zeit in Berlin. Eine Regierung hat erst gerade angefangen zu regieren, aber niemand scheint noch eine Erwartung in sie zu haben; auch wenn sie wahrscheinlich noch bis 2021 weiter funktionieren wird. Es findet das schleichende Ende der Ära Merkel statt. In Bayern haben die CSU und die SPD gewaltige Verluste eingefahren, obwohl die beiden Parteien im Landtag komplett verschiedene Rollen hatten. Die CSU führte eine Alleinregierung, die SPD war Oppositionsführerin – was die beiden eint, ist ihre Regierungsarbeit in Berlin.
Obwohl die Grosse Koalition für sämtliche beteiligten Parteien eine zerstörerische Wirkung hat, scheint bei allen die Angst vor einer Auflösung riesenhaft zu sein, und dies zu Recht. CDU- und CSU-Politiker, die mit dem Gedanken spielen, Merkel zu entmachten, müssen bedenken, dass die Sozialdemokraten eine Auswechslung der Bundeskanzlerin, durch wen auch immer, nicht akzeptieren würden. Merkel als Regierungschefin ist überhaupt die Bedingung, dass sich die SPD an der Koalition beteiligt. Würde sie unter Druck frühzeitig demissionieren, böte dies den Sozialdemokraten die Möglichkeit, diese ungeliebte Koalition zu verlassen und sich in der Opposition zu regenerieren, wie es gerne heisst. Ob diese Regeneration gelingen würde, ist natürlich keineswegs garantiert.
Die Unionsparteien würden von einem solchen dreisten Vorgehen gegen die Kanzlerin aber sicher nicht profitieren. Im Gegenteil dürften die Anti-Merkel-Strategen bei einer Neuwahl für ihr unorthodoxes Verhalten von den Bürgern bestraft werden. Merkel ist in der Bevölkerung nach wie vor beliebt genug, und ihr Wille zum Durchhalten ist allgemein bekannt. Zögen sich aber die Sozialdemokraten ihrerseits und scheinbar nur zum Selbsterhalt frühzeitig aus der Regierungsverantwortung, träfe sie der Ärger des Stimmvolks. So bleiben alle an Merkel gebunden.
Es scheint wie ein Fluch: Wer diese Regierung auch auflösen möchte, dürfte dafür von den Wählern früher oder später bestraft werden. Wer aber in der Regierung bleibt, wird ebenfalls bestraft. Eine Ausnahme gibt oder gab es allerdings: Merkel. Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein hätte sie kaum besser zeigen können, als wenn sie 2017 zurückgetreten wäre. Sie hätte der deutschen Politik neue Möglichkeiten eröffnet.