Kommentar

Wo Maassen recht behält

Die Versetzung des deutschen Verfassungsschutzpräsidenten in den einstweiligen Ruhestand war nach seiner mutmasslichen Abschiedsrede unvermeidlich. Trotzdem wäre die deutsche Politik gut beraten, die Kritik des Mannes ernst zu nehmen.

Marc Felix Serrao, Berlin
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Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maassen muss in den Ruhestand gehen. (Bild: Stefan Boness / Imago)

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maassen muss in den Ruhestand gehen. (Bild: Stefan Boness / Imago)

Als «unvermeidlich» hat Deutschlands Innenminister Horst Seehofer seine Entscheidung bezeichnet, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maassen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Damit hat er recht. Wer als Spitzenbeamter Teile einer Regierungspartei als radikale Kräfte darstellt, verlangt geradezu den eigenen Hinauswurf. So drücken sich Politiker aus. So dürfen sich Beamte nicht ausdrücken, nicht öffentlich und auch nicht in einem Redemanuskript, das öffentlich werden könnte.

Seehofer hatte getan, was er tun konnte, um Maassen zu helfen. Für seine Bereitschaft, ihm mit einer herausgehobenen Position im eigenen Haus eine zweite Karriere zu eröffnen, ist er selbst scharf kritisiert worden. Maassens mutmasslichem Angriff auf die SPD konnte Seehofer nun nichts mehr entgegensetzen.

Seehofers Schaden

Natürlich war der Minister nicht dabei, als sein Beamter im Oktober vor den Chefs der europäischen Inlandsgeheimdienste seine Abschiedsrede gehalten hatte. Auch er kennt nur das Manuskript. Man darf aber davon ausgehen, dass er dessen Authentizität tatsächlich, wie behauptet, überprüft hat. Gäbe es Anhaltspunkte dafür, dass der Text nicht von Maassen stammt oder dass dieser in Wahrheit eine moderatere Rede gehalten hat, wäre Seehofer der Erste gewesen, der das publik gemacht hätte.

Doch so freudig bis hämisch weite Teile des politischen Berlin Maassens Hinauswurf nun kommentieren mögen: Sie wären gut beraten, den Fall differenziert zu betrachten. Denn in vielem hatte und hat der Jurist recht, auch wenn er mitunter zu scharf formulierte. Es gibt bis heute keine Belege für «Hetzjagden» auf Ausländer in Chemnitz. Weite Teile der Berichterstattung und auch die Kommentare der Kanzlerin und ihres Sprechers zu den Vorfällen waren irreführend. Und die Reaktionen, vor allem des linken Spektrums, auf ebendiese Kritik Maassens wirkten tatsächlich in Teilen hysterisch.

Gefährliche Ausgrenzungsroutinen

Als was der Mann nicht alles beschimpft worden ist. Gegenwärtig ist «Verschwörungstheoretiker» beliebt. Das klingt knackig, und der Beifall der kommentierenden Mehrheit ist einem gewiss. Doch letztlich befördern derlei Abwatsch- und Ausgrenzungsroutinen nur den Verdruss all jener Menschen, die die Sicherheitslage im Land bis heute besorgniserregend finden. Das sind nicht nur die gern geschmähten Wutbürger. Auch Persönlichkeiten wie der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier gehören dazu. Dieser Teil des Bürgertums weiss, bei aller berechtigten Stilkritik, um die Verdienste Maassens. Unter seiner Führung und auf seinen Druck hin ist der Verfassungsschutz personell und finanziell massiv ausgebaut worden. Er hat die eigenen Leute und die Öffentlichkeit an die Gefahr des Islamismus erinnert, wieder und wieder. Allein seit 2015 wurden in Deutschland sieben Anschläge vereitelt. Der Mann, den ein grosser Teil der veröffentlichten Meinung seit Monaten als Gefahr für die Demokratie darstellt, hat in Wahrheit mehr für die Sicherheit des Landes getan als so ziemlich jeder andere.

Bleibt die Frage, was Maassen nun macht. Mit 55 Jahren ist er zu jung für den Ruhestand. Er könne sich ein Leben ausserhalb des Staatsdienstes vorstellen, heisst es im Redemanuskript, zum Beispiel in der Politik. Fragt sich nur, in wessen Diensten. Die CDU, der er seit Jahrzehnten angehört, wird ihm kaum einen attraktiven Posten anbieten können, ganz gleich, wer die Partei künftig führt. Jeder mögliche Koalitionspartner würde seinetwegen auf die Barrikaden gehen, auch die FDP.

Bliebe die AfD. Für sie wäre Maassen natürlich ein Sechser im Lotto. Für ihn wäre es ein Himmelfahrtskommando. Er wird das wissen.