Kommentar

Das Eingeständnis einer Niederlage in Afghanistan

Die USA wollten die Kaida-Terroristen vernichten und die Taliban-Herrschaft beseitigen. Nun stehen die Taliban vor der Rückkehr an die Macht.

Andres Wysling
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Zalmay Khalilzad erläutert vor afghanischen Medienvertretern seinen provisorischen Friedensplan, in der amerikanischen Botschaft in Kabul, am 28. Januar. (Bild: PD / Reuters)

Zalmay Khalilzad erläutert vor afghanischen Medienvertretern seinen provisorischen Friedensplan, in der amerikanischen Botschaft in Kabul, am 28. Januar. (Bild: PD / Reuters)

Es gibt einen Entwurf für ein Rahmenabkommen mit den Taliban: Das hat Zalmay Khalilzad bestätigt, der amerikanische Sondergesandte für Afghanistan. Er signalisierte, dass Washington bereit ist, den Krieg am Hindukusch zu beenden und die amerikanischen Truppen abzuziehen. Dafür sollen die Taliban garantieren, dass sich «nie wieder» Terroristen in Afghanistan einnisten. Über die genauen Modalitäten der Machtübergabe soll noch weiter verhandelt werden, unter Einbezug der afghanischen Regierung. Diese war bisher an den Verhandlungen nicht direkt beteiligt; sie dürfte sich verraten vorkommen.

Es ist das Eingeständnis einer Niederlage Amerikas. Präsident Bush hatte den Krieg ausgelöst nach den grossen Anschlägen in New York und Washington vom September 2001. Das Ziel war es, die Terroristen auszuschalten und alle jene, die sie aufnahmen. Das schien innert Kürze erreicht: Die Kaida wurde aufgerieben, die Taliban-Herrschaft krachte zusammen. Dann wandte Bush sich seinem Kriegsabenteuer im Irak zu. Afghanistan wurde vernachlässigt, die Taliban krochen aus ihren Verstecken hervor. Sie waren wieder da.

Wo im Jahr 2018 in Afghanistan Kämpfe mit Rebellen stattfanden

Je grösser die Kreise, desto mehr Todesopfer (Maximum: 173)
Wo im Jahr 2018 in Afghanistan Kämpfe mit Rebellen stattfanden - Je grösser die Kreise, desto mehr Todesopfer (Maximum: 173)

Bushs Nachfolger Obama versuchte, mit einem grossen Truppenaufgebot die Taliban endgültig zu besiegen. Aber auch der zweite Anlauf misslang, zu schnell wurden die amerikanischen Truppenbestände wieder reduziert, gerne wollte Obama als «Friedenspräsident» in die Geschichtsbücher eingehen, als derjenige, der nicht Kriege begann, sondern sie beendete. Wieder krochen die Taliban aus ihren Verstecken hervor, und innert kurzer Zeit erreichten sie die Kontrolle über weite Teile des Landes.

Präsident Trump scheint nun entschlossen, den Krieg in Afghanistan zu beenden und das Land den Taliban mehr oder weniger zu überlassen; auf jeden Fall werden sie an der Macht beteiligt. Im letzten Jahr hatte er noch die Truppen verstärkt, doch das geschah vor allem, um die Taliban an den Verhandlungstisch zu zwingen, mit hohem Blutzoll unter den Zivilisten. Zu besiegen waren sie mit dem begrenzten Engagement von offiziell 8500 Mann (fast 17 000 mit Verbündeten) nicht. In der nächsten Zeit können die amerikanischen Truppen die weiteren Verhandlungen noch begleiten, nach dem Rezept «talk, talk – bomb, bomb»; sie bilden eine Art Schutztruppe für die Regierung. Ob ein tragfähiges, innerafghanisches Machtarrangement erreicht wird, steht dahin. Zu befürchten ist, dass der Bürgerkrieg weitergeht, auch nach dem Rückzug der Amerikaner. Und ausländische Akteure aus der Region werden sich weiter einmischen.

Die Vereinigten Staaten haben, zusammen mit ihren Verbündeten, in Afghanistan seit Ende 2001 den längsten Krieg ihrer Geschichte geführt, mehr als 17 volle Jahre. Die Amerikaner allein verloren bisher 2400 Soldaten, hinzu kamen 3900 tote Söldner («contractors»). Ihre direkten Kriegskosten erreichen inzwischen 900 Milliarden Dollar; so viel haben bisher allein das Verteidigungsministerium und das Staatsdepartement ausgegeben. Die Gesamtkosten liegen jedoch viel höher. Insgesamt hat der Krieg in Afghanistan laut Schätzungen 147 000 Tote gefordert, über 210 000 zusammen mit den Toten auf dem Nebenschauplatz Pakistan.

Der bevorstehende Rückzug der Amerikaner wird an den Rückzug der Sowjets 1989 erinnern: eine Schmach. Die Sowjets hatten Afghanistan aus imperialer Herrschaftslust erobert, die Amerikaner besetzten das Land, weil sie von dort aus angegriffen worden waren. Beide Grossmächte haben sich im Gebirge verrannt.

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