Kommentar

Das Euro-Zonen-Budget oder: Fehlentscheide im Morgengrauen

Die von den EU-Finanzministern vereinbarten Eckwerte für das geplante Euro-Zonen-Budget lassen zentrale Fragen offen. Was schlimmer ist: Das Ziel der Übung ist fragwürdig.

René Höltschi
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Noch ist völlig offen, wie gross der Euro-Haushalt sein soll und wie er finanziert wird. (Bild: Francois Lenoir / Reuters)

Noch ist völlig offen, wie gross der Euro-Haushalt sein soll und wie er finanziert wird. (Bild: Francois Lenoir / Reuters)

Vor Jahren hat der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble das Ergebnis eines bis in die frühen Morgenstunden dauernden EU-Gipfels mit der ätzenden Bemerkung kommentiert, der Begriff «Morgengrauen» komme wohl nicht von ungefähr. An diesen bösen Spruch fühlt sich erinnert, wer den Beschluss der EU-Finanzminister zum Euro-Zonen-Budget unter die Lupe nimmt. Gefallen ist er in einer Sitzung, die bis um halb fünf Uhr am Freitagmorgen gedauert hat. Die Minister haben damit einen Arbeitsauftrag der Staats- und Regierungschefs vom letzten Dezember halbwegs erfüllt und können diesen am Euro-Gipfel vom nächsten Freitag «Eckwerte» eines solchen Budgets vorlegen.

Wer soll das bezahlen?

Doch obwohl die Debatte seit Jahren köchelt, lassen diese Eckwerte zentrale Fragen offen. So ist weder klar, wie gross der Euro-Haushalt sein soll, noch, wie er finanziert wird. Auch die Entscheidungswege und -kriterien bleiben hinreichend ungewiss. Bestätigt wurde, dass das Euro-Zonen-Budget Teil des regulären EU-Haushalts sein wird. Deshalb soll sein Umfang im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Periode 2021 bis 2027 bestimmt werden, der Obergrenzen für die jährlichen EU-Haushalte vorgibt und über den noch bis 2020 verhandelt werden dürfte. Absehbar ist, dass das Euro-Budget sehr viel kleiner ausfallen wird als einst vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagen.

Präzisiert haben die Minister den Zweck des gemeinsamen Budgets für den Euro-Raum. Es soll Euro-Staaten sowie – auf freiwilliger Basis – Kandidaten für den Beitritt zur Euro-Zone offenstehen und diese mit Subventionen bei der Umsetzung von Strukturreformen und bei Investitionen unterstützen. Ziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Konvergenz dieser Staaten. Nun sind die erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern der Währungsunion bezüglich Wohlstand und Wettbewerbskraft tatsächlich eine Quelle von Spannungen. Doch zur Unterstützung der Aufholjagd ärmerer Staaten und Regionen nicht nur im Euro-Raum, sondern in der ganzen EU gibt es im Rahmen der Kohäsionspolitik bereits fett dotierte Geldtöpfe.

Wozu ein weiteres Töpfchen?

Deshalb ist schwer nachvollziehbar, warum es für ein sehr ähnliches Ziel noch ein weiteres Töpfchen mit einem eigenen bürokratischen Überbau brauchen würde. Wer der Meinung ist, innerhalb der Euro-Zone müsse das «Catching-up» stärker gefördert werden als in der EU insgesamt, kann dies auch mit der bestehenden Kohäsionspolitik erreichen, zumal diese ohnehin auf nationale Beiträge aufgeteilt ist. Fragwürdig ist sodann das Argument, mit den neuen Geldern würden Anreize für Strukturreformen geschaffen. Werden solche Reformen richtig konzipiert und umgesetzt, stärken sie die Wirtschaftskraft eines Staates und sind deshalb in dessen ureigenem Interesse – wozu muss er dafür bezahlt werden? Nichts geblieben ist bei den Finanzministern derweil von der einstigen Idee eines Schlechtwetterfonds (Rainy-Day-Fund). Dieser hätte wirtschaftliche Schocks abfedern sollen, die in asymmetrischer Weise nur einzelne Euro-Staaten treffen.

Erklären lässt sich die nun vorangetriebene krude Konstruktion wohl nur damit, dass sie ein Kompromiss ist zwischen Frankreich, das zusammen mit einigen südeuropäischen Staaten von einem umfangreichen Euro-Budget und einer gemeinsamen Finanzpolitik träumt, und Ländern wie den Niederlanden, die am liebsten jede zusätzliche Umverteilung auf europäischer Ebene vermeiden würden. Doch nicht jeder Kompromiss ist ein guter Kompromiss. Im konkreten Fall wäre ein vorläufiger Abbruch der Übung wohl der weisere Beschluss gewesen. Doch Weisheit ist eine rare Tugend – ganz besonders im Morgengrauen.

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