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Boris Johnsons Brief an die EU ist Wahlkampf-Munition

Mit «Yours ever, Boris» hat er den Brief unterzeichnet, der eigentlich eine Drohung an die Adresse der EU ist: Boris Johnson. Foto: Peter Nicholls (AP)

So auf den ersten Blick kommt Boris Johnsons Brief freundlich daher: «Dear Donald», steht in krakeliger Handschrift darüber, lieber Donald, und der Premierminister Ihrer Majestät unterzeichnet genauso krakelig mit «Yours ever, Boris», für immer Dein Boris.

Doch EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Vorschläge aus dem Schreiben am Dienstag brüsk zurückgewiesen. Denn Johnson forderte, ganz undiplomatisch-unfreundlich, bei neuen Verhandlungen über den Austrittsvertrag den sogenannten Backstop für Irland zu streichen.

Diese «Rückfalllösung» soll verhindern, dass die Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland zu einer Aussengrenze der Europäischen Union würde, und würde dies dadurch erreichen, dass das gesamte Vereinigte Königreich vorläufig den Binnenmarkt- und Zollregeln der Europäischen Union unterworfen bliebe. Dabei machen EU-Vertreter seit Monaten immer wieder klar, dass sie diese Klausel nicht ändern werden.

Unberechenbarkeit ist sein Prinzip

Johnson weiss das natürlich, weswegen dieser Brief kein Verhandlungsangebot ist, sondern eine gezielte Provokation. Tusks Antwort ist daher richtig. Kanzlerin Angela Merkel sollte Johnson beim Treffen an diesem Mittwoch Ähnliches mit auf den Weg geben. Der britische Premier wird mit diesen Reaktionen rechnen.

Sein Schreiben dient vor allem dazu, eine Botschaft zu senden: Der neue Premier ist wirklich kompromisslos. Entweder er bekommt seinen Willen, oder es gibt keine neuen Verhandlungen, und die Briten verlassen die EU Ende Oktober ohne gültigen Vertrag. Johnson hofft, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten ihm – anders als Vorgängerin Theresa May – abnehmen, dass er das Land zur Not über die Klippe eines ungeregelten Brexit führen würde.

Johnson lässt sich da von der Verhandlungstaktik eines anderen blonden Populisten inspirieren: Donald Trump. Auch der US-Präsident pflegt seinen Ruf, unberechenbar und rücksichtslos zu sein. Das Kalkül lautet, dass Verhandlungspartner dann schon einknicken, weil sie Trump – und nun Johnson – im Prinzip alles zutrauen. Eine Eskalation scheint nur im Falle einer Einigung zu den Bedingungen des Populisten zu verhindern zu sein.

Daneben erfüllt der Brief einen zweiten Zweck: Er ist Wahlkampfmunition. Johnson plant Neuwahlen, da er bloss eine Minimehrheit im Parlament hat. Mit seiner Brachialrhetorik und einem Kabinett der Austrittsfanatiker will Johnson Wähler von Nigel Farages Brexit Party zurück zu den Konservativen lotsen.

Nachgeben ist keine Option

Die spannende Frage ist noch, ob die Wahlen vor dem Austrittstermin 31. Oktober stattfinden oder danach: Vor dem Austritt fällt der Kampf gegen die Brexit Party schwerer; bei einer Wahl nach einem ungeordneten Brexit könnten die Bürger Johnson für die üblen Folgen solch einer chaotischen Trennung abstrafen.

Der EU kann dieses Dilemma Johnsons eher egal sein. Wichtig ist, dass die Mitgliedsstaaten weiter einig auftreten. Johnson spekuliert darauf, dass die Drohung eines ungeregelten Brexit die geschlossene Front sprengt und einzelne Regierungen Brüssel zu Kompromissen drängen. Tatsächlich haben manche Staaten und Branchen mehr zu verlieren als andere, wenn Zölle erhoben werden und Kontrollen an den Häfen zu Chaos führen. Mit am meisten Sorgen muss sich die deutsche Exportindustrie machen.

Aber nachgeben verbietet sich, denn Erpressung darf sich nicht lohnen. Ansonsten würden Boris Johnson und die Anhänger eines harten Brexit in seiner Partei bloss noch mehr Zugeständnisse verlangen. Und der andere blonde Populist würde sich an Johnson ein Beispiel nehmen: US-Präsident Donald Trump streitet mit Brüssel über Zölle und Exporthemmnisse. Er würde seine Forderungen und Drohungen verschärfen und könnte auf ein baldiges Einknicken der Europäer hoffen.