Im November 2017 war ich im völlig überfüllten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Es war eisig kalt, es regnete in Strömen, in wasserundichten Zelten lagen Menschen auf durchnässten Matratzen. Ein Junge aus dem Irak stand vor einer Feuerstelle und wärmte sich die Hände. Seine Klamotten waren feucht, seine Füße nackt. Er war einer von 7000 Menschen in Moria.
Ich veröffentlichte eine große Reportage über die Lage vor Ort und war mir sicher: Bald wird sich etwas ändern, die EU wird auf das Leid der Migranten und Flüchtlinge reagieren. Sie wird Griechenland mit dem Problem nicht alleinlassen. Selbst wenn die europäische Flüchtlingspolitik strikter geworden war – die westlichen Werte, das Gebot der Menschlichkeit würden dafür sorgen, dass die EU einschreitet.
Zwei Jahre später ist klar: Die Situation auf Lesbos und den benachbarten Inseln in der Ostägäis wird von Europas Staatenlenkern nach wie vor ignoriert; es wird nicht besser, sondern schlimmer. Moria war angesichts einer Kapazität von 3000 Personen schon Ende 2017 überbelegt, nun leben Schätzungen zufolge bereits 12.000 Menschen im und um das Lager herum. Derweil sind die Zahlen der Ankünfte von Booten aus der Türkei jüngst wieder in die Höhe geschossen.
Am Sonntag kam es im Lager Moria zur Katastrophe. Bei einem Feuer, ersten Ermittlungen zufolge von Migranten gelegt, starben eine Frau und ihr Kind. Die Polizei ging mit Tränengas gegen wütende Lagerbewohner vor. Manos Logothetis, Sekretär für die Flüchtlingserstaufnahme der Regierung in Athen, sprach von einem „schlimmen, unglücklichen Vorfall“.
Dabei ist das, was dort geschehen ist, kein Unglück. Tausende Männer, Frauen und Kinder aus verschiedenen Kulturkreisen, zusammengepfercht auf engstem Raum, unter menschenunwürdigen Bedingungen – wen kann es da überraschen, dass etwas passiert? Es ist eine Schande, dass Europa nichts getan hat, um Tragödien wie diese zu verhindern.
Die Lage in der Ostägäis zu verbessern, als EU gemeinsam Verantwortung zu übernehmen – das wäre keine Mammutaufgabe. Allein es fehlt der Wille. Denn was zählt, sind sinkende Flüchtlingszahlen. Der Rest bleibt auf der Strecke.