Kommentar

In Trumps Amerika werden alle Institutionen beschädigt – auch das Impeachment

Die Anklage des Präsidenten ist die gerechtfertigte Folge des Machtmissbrauchs in der Ukraine-Affäre. Die Verteidigungslinie der Republikaner ist heuchlerisch, doch auch die Demokraten haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Meret Baumann
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Nancy Pelosi (Mitte), Vorsitzende des Repräsentantenhauses, und Adam Schiff (links), der die Impeachment-Untersuchung des Repräsentantenhauses leitet, und weitere Ausschuss-Vorsitzende während einer Pressekonferenz nachdem Trump wegen Amtsmissbrauchs angeklagt wurde.

Nancy Pelosi (Mitte), Vorsitzende des Repräsentantenhauses, und Adam Schiff (links), der die Impeachment-Untersuchung des Repräsentantenhauses leitet, und weitere Ausschuss-Vorsitzende während einer Pressekonferenz nachdem Trump wegen Amtsmissbrauchs angeklagt wurde.

Shawn Thew / EPA

Die Entfernung eines rechtmässig gewählten Staatschefs aus dem Amt ist der radikalste Schritt in einer Demokratie, und er setzt entsprechend hohe Hürden voraus. In den Vereinigten Staaten ist es auf die von der Verfassung dafür vorgesehene Weise überhaupt noch nie dazu gekommen, und Donald Trump ist auch erst der dritte Präsident, gegen den im Rahmen eines Impeachment-Verfahrens Anklage erhoben wird. Deshalb ist dies ein historischer Moment, auch wenn er die Nation nicht in seinen Bann zieht wie einst im Fall Bill Clintons, sondern von vielen nur als weitere Drehung der endlosen Eskalationsspirale in der Ära Trump gesehen wird. Und so tief dieser Einschnitt auch ist: Er ist die logische Folge der fast dreimonatigen Ermittlungen im Repräsentantenhaus zur Ukraine-Affäre.

Eine gefährliche Geringschätzung für die Institutionen

Diese haben detailreich aufgezeigt, wie das Weisse Haus Kiew dazu drängte, Ermittlungen zum Schaden innenpolitischer Gegner Trumps einzuleiten. Als Druckmittel diente unter anderem die Blockierung von Militärhilfe für den engen Verbündeten, der sich mit Russland faktisch im Kriegszustand befindet. Dieser Missbrauch der Aussenpolitik zum eigenen Vorteil fand im Widerspruch zu amerikanischen Interessen statt. Er ist umso verstörender, als die gegenüber der Ukraine verfolgte Paralleldiplomatie ihren Anfang just zu dem Zeitpunkt nahm, als der Sonderermittler Robert Mueller in seinem Bericht darlegte, wie Trump 2016 bereitwillig Wahlkampfmunition aus Russland angenommen hatte. Der Präsident erscheint vor diesem Hintergrund als uneinsichtiger Wiederholungstäter, der kein Problem in ausländischer Einmischung zur Untergrabung ordnungsmässiger Wahlen sieht. Genau aus Sorge um einen solchen Verrat am nationalen Interesse haben die Verfassungsväter einst das Instrument des Impeachments geschaffen, wie das Justizkomitee in seinem Bericht zu den Ermittlungen festhält. Der Anklagepunkt des Amtsmissbrauchs begründet sich daraus schlüssig.

Ebenso gravierend ist die Behinderung der Arbeit des Kongresses, weswegen der Präsident ebenfalls angeklagt wird. Das Weisse Haus erklärt die verweigerte Kooperation damit, dass das Verfahren eine illegale «Hexenjagd» sei. Doch die Verfassung weist das Recht zum Impeachment explizit allein dem Repräsentantenhaus zu. Dass beim Entscheid der grossen Kammer politische Überlegungen eine gewichtige Rolle spielen würden, sahen die Gründerväter voraus. Aus diesem Grund wiesen sie die Entscheidung über die Amtsenthebung dem Senat zu, der dafür eine Zweidrittelmehrheit braucht. Dieses Prozedere grundsätzlich zu missachten, wie Trump es tat, ist präzedenzlos und gefährlich. Es ist Ausdruck jener Geringschätzung für die Institutionen, die er seit seinem Amtsantritt zeigt und die nachhaltigen Schaden am demokratischen Gefüge anzurichten droht.

Die Republikaner argumentieren, dass anders als in den Fällen von Richard Nixon und Bill Clinton kein strafrechtliches Vergehen vorliege. Doch die Verfassungslehre ist sich weitgehend einig, dass das Impeachment eben gerade nicht eine kriminelle Tat voraussetzt, sondern einen Bruch des mit dem Amt übertragenen Vertrauens. Die Absetzung dient nicht der Strafe, sondern dem Schutz des politischen Systems. Eine Untersuchung des Congressional Research Service über alle Impeachments der amerikanischen Geschichte – gegen Präsidenten, Richter und andere Amtsträger – zeigt denn auch, dass weniger als ein Drittel der Fälle durch ein strafrechtliches Vergehen begründet war. Trump wiederholt gebetsmühlenartig, er habe nichts falsch gemacht in der Ukraine-Affäre. Dann ist es jedoch nicht einleuchtend, warum das Weisse Haus Dokumente sowie Zeugenauftritte verweigert und zunächst versuchte, ein Protokoll des berühmten Telefongesprächs von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten verschwinden zu lassen.

Allerdings fehlt es nicht nur der Verteidigungslinie der Republikaner an Glaubwürdigkeit, sondern auch dem Vorgehen der Demokraten. Sie betonen zwar, zur Bewahrung der Verfassung zum Impeachment gezwungen gewesen zu sein. Doch wenig kann darüber hinwegtäuschen, dass parteitaktische Motive überwogen. Aus den Reihen des linken Flügels waren erste Rufe nach einer Absetzung schon vor Trumps Vereidigung laut geworden, und dieser Forderung schlossen sich im letzten Sommer immer mehr Fraktionsmitglieder an. Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses und damit die ranghöchste Demokratin in Washington, stand deshalb unter Zugzwang. Im Dilemma zwischen dem Wunsch ihrer aktivistischen Parteibasis und der Abneigung gemässigter Wechselwähler gegen die polarisierende Wirkung eines Amtsenthebungsverfahrens sprach sie sich im September schliesslich überstürzt für Impeachment-Untersuchungen aus, noch bevor sich das Ausmass der Ukraine-Affäre erahnen liess.

Ein Spektakel für die eigene Basis

Seit diesem Zeitpunkt stand die Anklage praktisch fest. Die Anhörungen in den Komitees haben die von den Demokraten erhobenen Vorwürfe zwar erhärtet, doch das Interesse der Öffentlichkeit erlahmte rasch. Es gelang den Demokraten nicht, die Bevölkerung oder gar einzelne Vertreter der Republikaner von der Notwendigkeit eines Impeachments zu überzeugen. In den Umfragen ergab sich kaum je eine absolute Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren, auch wenn die Zustimmung deutlich höher ist, als sie im Fall Clintons war. Dass nicht nur kein einziger Republikaner für die Anklage stimmte, sondern dass auch die Demokraten einige Gegner in den eigenen Reihen haben, wird Trump in den nächsten Wochen ausschlachten. Nie zuvor erfolgte das Impeachment eines Präsidenten mit Zustimmung ausschliesslich einer Partei. Vom breiten Konsens, den Pelosi selbst noch im Frühling als Voraussetzung genannt hatte, kann keine Rede sein.

Dies macht das Verfahren zwar nicht illegitim, aber angreifbar. Die Demokraten sind sich dessen bewusst und spulten die einzelnen Schritte deshalb wie ein lästiges Pflichtprogramm ab. Es entsteht der Eindruck, als wollten sie das Impeachment als Spektakel für die eigene Basis rasch hinter sich bringen, auf dass es das Wahljahr nicht zu sehr überschatte. Das mag taktisch die beste mehrerer schlechter Optionen gewesen sein. Aber es wird dem Instrument des Impeachments nicht gerecht.

So liegt die Dramatik dieser Anklage allein darin, dass Trump als erst dritter Präsident mit dem Makel des Impeachments leben muss. Spannung kam dagegen nie auf – seit Ende September war jeder Schritt vorhersehbar, und auch der Freispruch im Senat ist es. Damit stellt sich die Frage, ob das Impeachment in einer Zeit derart tiefer politischer Gräben überhaupt noch funktioniert. Denn während es im Fall Clintons zwar keinen Konsens über die Notwendigkeit seiner Absetzung gab, sehr wohl aber einen, was das Fehlverhalten des Präsidenten betraf, existiert im heutigen Amerika selbst diese Übereinstimmung der Meinungen nicht mehr.