Kommentar

Salvini hat sich überschätzt

Der italienische Rechtspopulist Matteo Salvini hat die Regionalwahl in der linken Hochburg Emilia-Romagna zum Referendum über seine Person hochstilisiert und verloren. Italiens Linke darf sich auf dem seltenen Erfolg jedoch nicht ausruhen.

Andrea Spalinger
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Die Hoffnungen des Lega-Chefs Matteo Salvini auf einen Sieg in der Emilia-Romagna haben sich nicht erfüllt.

Die Hoffnungen des Lega-Chefs Matteo Salvini auf einen Sieg in der Emilia-Romagna haben sich nicht erfüllt.

Flavio Lo Scalzo / Reuters

Die Niederlage in der Emilia-Romagna bedeutet für Matteo Salvini einen schweren persönlichen Rückschlag. Der Rechtspopulist hatte die Wahl in der roten Hochburg zu einem Referendum über seine Person hochstilisiert. Wochenlang war er durch die Region getourt und hatte unermüdlich Hände geschüttelt und Selfies gemacht. Wenn seine Lega auch diese wichtige Region erobere, habe die Regierung von Giuseppe Conte keine Daseinsberechtigung mehr, hatte er frohlockt.

Massenmobilisierung

Mit wütenden Volksmassen wollte der hemdsärmlige Polterer anschliessend vor die Paläste der Macht in Rom ziehen, um deren durch den erhofften Triumph der Lega in der Provinz diskreditierte Herren zu vertreiben. Doch nun hat das Mitte-links-Lager die Macht in der grossen norditalienischen Region klarer als erwartet verteidigt.

Der 46-jährige Mailänder hat sich überschätzt. Seine simplifizierende Weltsicht, sein Fremdenhass und seine EU-Feindlichkeit finden zwar auch in der seit dem Zweiten Weltkrieg links regierten Emilia-Romagna mittlerweile viel Zustimmung. Eine Mehrheit der Wähler dort schrecken sie aber weiterhin ab. Die starke Präsenz Salvinis im Wahlkampf hat nicht nur seine Fans mobilisiert, sondern auch seine Gegner aufgerüttelt. Die Wahlbeteiligung war mit 68 Prozent fast doppelt so hoch wie beim letzten regionalen Urnengang.

Der «Sardinen»-Effekt

Dazu beigetragen hat vor allem auch die Bewegung der «Sardinen». Die von jungen Leuten aus Bologna gegründete Protestbewegung wollte ein Zeichen gegen Intoleranz und Fremdenhass setzen und hat Hunderttausende in der ganzen Region auf Plätze und Strassen gelockt. Zwar bezeichneten sich die «Sardinen» als apolitisch und gaben keine Wahlempfehlung ab. Ihre Aktion war aber ganz klar gegen Salvini gerichtet und hat offenbar viele frustrierte Linkswähler und junge Neuwähler zu einer Stimmabgabe bewegen können.

Der Chef der Sozialdemokraten, Nicola Zingaretti, hat dies in der Wahlnacht demütig eingestanden und sich bei den «Sardinen» für die tatkräftige Unterstützung bedankt. Dabei war ihm grosse Erleichterung anzumerken. Eine Machtübernahme der Rechtspopulisten in der Emilia-Romagna hätte die Koalition mit den serbelnden Cinque Stelle in Rom nämlich kaum überlebt. Nun kann das Kabinett von Giuseppe Conte vorerst weiterregieren.

Die Linke hat keinen Grund zum Jubel

Doch der Partito Democratico hat keinen Grund zum Jubel. Mehr als der Parteiführung ist der Sieg in der Emilia-Romagna ihrem Kandidaten Stefano Bonaccini zu verdanken, der als Regionalpräsident eine überzeugende Bilanz vorzuweisen hat. Die Region ist eine der wirtschaftlich stärksten des Landes. Die Arbeitslosigkeit liegt deutlich unter dem nationalen Schnitt, und die staatlichen Dienstleistungen funktionieren dort besser als anderswo. Auch deshalb dürften sich viele am Ende für Kontinuität entschieden haben.

Auf nationaler Ebene bleibt die Lage hingegen düster, und eine Machtübernahme von Salvini scheint mittelfristig kaum zu stoppen. Dessen Lega hat in den letzten zwei Jahren mit Ausnahme der Emilia-Romagna sämtliche Regionalwahlen gewonnen und am Sonntag auch in Kalabrien triumphiert. Gemeinsam mit den anderen Rechtsparteien würde sie heute laut Umfragen Parlamentswahlen gewinnen.

Wollen die Sozialdemokraten längerfristig politisch mitreden, müssen sie für ihre traditionelle Basis wieder attraktiver werden. Die Parteiführung hat in den letzten Jahren die einst starken lokalen Strukturen sträflich vernachlässigt und war von internen Machtkämpfen absorbiert. Die Lega und die Cinque Stelle haben derweil Themen gesetzt und der Linken die Arbeiterschaft und die unteren sozialen Schichten abspenstig gemacht.

Schwerer Fehler des Cinque-Stelle-Chefs

Zingaretti scheint sich dessen bewusst zu sein. Er hat eine Revolution versprochen; wie diese genau aussehen soll, hat er allerdings noch nicht erklärt. Er muss versuchen, das heillos zerstrittene linke Lager wieder zu einen und auf ein breiteres Fundament zu stellen. Dabei dürfte er auch frustrierte Cinque-Stelle-Politiker im Auge haben.

Die von Beppe Grillo in Bologna gegründete Protestpartei hatte bei der Parlamentswahl 2018 in der Emilia-Romagna noch die meisten Stimmen geholt, doch am Sonntag wurde sie nun regelrecht dezimiert. Der letzte grosse Fehler des zurückgetretenen Chefs Luigi Di Maio war, dass er einen eigenen Kandidaten aufstellte, anstatt jenen der Sozialdemokraten zu unterstützen. Damit haben die Cinque Stelle nicht nur riskiert, Salvini zum Sieg zu verhelfen. Sie können nun auch keinen Anteil am Erfolg des Koalitionspartners beanspruchen und drohen innerhalb der Regierung weiter an Einfluss zu verlieren. Bei vielen intern umstrittenen Sachfragen dürfte der Partito Democratico künftig sehr viel selbstsicherer auftreten.