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Wo das Coronavirus am gefährlichsten ist

In Kontakt mit allen Viren: Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador und seine Fans im Bundesstaat Guerrero. Foto: Reuters

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Er hat es offensichtlich nicht begriffen. Bei einer Reise durch den mexikanischen Bundesstaat Guerrero umarmte und küsste Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador am Wochenende seine Anhänger, wie wenn nichts wäre. «Geht nicht so nahe ran, ihr erdrückt ihn ja», musste ein Leibwächter die Menge warnen.

Ausserdem sagte López Obrador Dinge, die unfreiwillig komisch klängen, ginge es nicht um ein derart ernstes Thema wie das Coronavirus. In einem Land ohne Korruption – wozu er offensichtlich sein eigenes zählt – reiche das Geld allemal, um die Krankheit erfolgreich zu bekämpfen. Und eine Nation mit einer so ehrwürdigen Kultur wie Mexiko sei ohnehin gewappnet. Das ist der entfesselte Wahnsinn, die ungebremst galoppierende Verantwortungslosigkeit.

Nach seiner Verbreitung in China ist das Coronavirus binnen weniger Wochen in Europa und den USA zu einer Bedrohung geworden, wie man sie noch vor kurzem als überhitzte Fantasie eines apokalyptisch gestimmten Hollywood-Drehbuchautors abgetan hätte. Selbst auf die Gefahr hin, sich dem Vorwurf der Panikmache auszusetzen, muss man allerdings sagen: In den sogenannten Entwicklungsländern könnten bald Szenarien eintreten, die unendlich viel schlimmer sind. Dort droht eine soziale, wirtschaftliche und medizinische Katastrophe gewaltigen Ausmasses.

Werden Betriebe geschlossen, stehen in Brasilien und in anderen Schwellenländern Millionen von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts.

Das Elend beginnt schon bei der Prävention. Der Aufruf, zu den Mitmenschen einen Sicherheitsabstand zu wahren und sich häufig die Hände zu waschen, ist in den engen, verstopften, staubigen Elendsvierteln der sogenannten Dritten Welt, zumal in jenen ohne fliessend Wasser, reines Wunschdenken. Eine medizinische Versorgung, die diesen Namen verdient, gibt es in vielen armen Ländern nur für jene, die sie bezahlen können, und das sind die wenigsten.

80'000 Kinder sterben in Moçambique, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen, 24 Millionen HIV-Positive gibt es in Afrika, Kambodscha leidet unter chronischer Hepatitis, in Papua-Neuguinea grassiert die Tuberkulose. Auf der Südhalbkugel bedroht das Coronavirus Millionen, die ohnehin ein geschwächtes Immunsystem haben. Wenn Covid-19 in einer der reichsten Regionen des Planeten, nämlich in der Lombardei, das Gesundheitssystem an den Rand des Kollapses treibt – was droht dann in Südostasien, im Nahen Osten, in Afrika und Lateinamerika?

«Eine grosse Epidemie scheint unvermeidlich»

Und dann sind da die wirtschaftlichen Folgen. Mehr als 40 Prozent der brasilianischen Werktätigen arbeiten im informellen Sektor, haben also keine Arbeitsverträge, kein Krankentaggeld, keine Arbeitslosenunterstützung. Werden Betriebe geschlossen, wie es gegenwärtig in Europa geschieht, stehen in Brasilien und in anderen Schwellenländern Millionen von einem Tag auf den anderen buchstäblich vor dem Nichts – was die Regierungen wahrscheinlich vor diesem Schritt zurückschrecken lässt, mit verheerenden Folgen für die Ausbreitung des Virus.

Hinzu kommen Kapitalabfluss, geringere Direktinvestitionen aus dem Ausland, der Druck auf die Währungen, sinkende Weltmarktpreise für Rohstoffe sowie eine hohe wirtschaftliche Abhängigkeit von China. Dorthin gehen ein Drittel der chilenischen und rund 10 Prozent der südafrikanischen Exporte. Laut einer Studie der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung weisen rund ein Fünftel der 117 Staaten, die man als Entwicklungs- oder Schwellenländer bezeichnet, das zweifache Risiko von hoher Verschuldung und grossem Handelsvolumen mit China auf.

Die grösste Gefahr, die vom Coronavirus ausgeht, besteht in einer sozialen Explosion auf der Südhalbkugel.

350 bestätigte Infektionen gab es am Montag in Afrika, 650 waren es in Lateinamerika, je etwas über 100 in Indien und Indonesien. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Ob die optimistischen Stimmen zutreffen, wonach es afrikanischen Ländern dank ihrer schnell getroffenen Massnahmen gelingen könnte, das Schlimmste zu verhindern, wird man sehen. Der südafrikanische Epidemiologe Salim Abdool Karim sagt: «Es scheint unvermeidlich, dass wir eine grosse Epidemie erleben werden.»

Die Weltbank hat den Entwicklungsländern 12 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern und Krediten versprochen. Angesichts des heraufziehenden Unheils ist das ein lächerlicher Betrag. Und angesichts der wirtschaftlichen Schäden im reichen Norden werden jene in der Dritten Welt hierzulande einer breiten Öffentlichkeit mehr oder weniger egal sein. Dabei besteht die grösste Gefahr, die vom Coronavirus ausgeht, in einer sozialen Explosion auf der Südhalbkugel.