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Nichts falsch gemacht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Je mächtiger ein Politiker oder Medium, desto schwerer fällt es, eigene Fehler einzugestehen.


"Ich sehe nicht, dass ich sagen müsste, das war falsch, und werde mich deshalb auch nicht entschuldigen." Das sagte Deutschlands Ex-Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem ersten und wegen der russischen Invasion mit Spannung erwarteten Auftritt seit ihrem Rückzug vor sechs Monaten.

Vorher und nachher erklärte Europas einst mächtigste Politikerin, warum sie so viel Energie darauf verwandt hatte, Wladimir Putin einzubinden, diesen aber nicht von seinem apodiktischen Blick auf den Westen abzubringen vermocht hatte. Merkel tat also in diesem Gespräch, das vom Interviewer, dem "Spiegel"-Journalisten Alexander Osang, durchaus mit Samthandschuhen geführt wurde, etwas, das sie in den Jahren davor viel zu wenig gemacht hatte: Sie argumentierte und erläuterte öffentlich die Beweggründe für ihr Handeln.

Ganz so unbefleckt wird Merkels Amtszeit in Bezug auf den Umgang mit Russland nicht in die Geschichte eingehen. Die brüskierende Ausladung des deutschen Bundespräsidenten, der zuvor schon unter Merkel als Außenminister gedient hatte, durch die Ukraine zeigt, dass die Sicht in Osteuropa eine erheblich andere ist. Trotzdem zählt es zu den kindlicheren Leidenschaften ausgewiesen kritischer Zeitgenossen, Politikern im Nachhinein das öffentliche Eingeständnis abzuringen, sich geirrt oder einen Fehler begangen zu haben.

Es gibt Politiker und Politikerinnen, denen ein "Hier habe ich mich geirrt" problemlos über die Lippen kommt. Diese Gruppe steht meist nicht ganz oben an der Spitze. Und dann gibt es diejenigen, denen kein solch konkretes Eingeständnis abzuringen ist, sondern maximal ein "Niemand ist fehlerlos, auch ich nicht", was jedoch nicht wirklich zählt.

Richtig zu liegen, recht zu haben, zu wissen, was die Zukunft bringt: Das ist von alters her die wichtigste Aufgabe der Männer und Frauen an der Spitze. Wer die falschen Entscheidungen trifft, die dann auch noch öffentlich werden, dessen Macht neigt sich dem Ende zu. Sieht man von wenigen - und meist gezielt inszenierten - Ausnahmen ab, hat sich daran in demokratischen Zeiten wenig geändert. Je mächtiger ein Politiker, desto weniger kann er eigene Fehler offenherzig eingestehen.

Diese Fehler dennoch aufzudecken, ist der Job einer kritischen Öffentlichkeit, der Medien zuvorderst. Dass diese ihre eigenen Probleme haben, ihre Fehleinschätzungen und Irrtümer entsprechend einzugestehen und aufzuarbeiten, steht auf einem anderen Blatt. Dabei geht es Medien wie der Politik: je meinungsstärker, je kantiger, desto höher die Quote an Irrungen und Verwirrungen.