Es ist ein notwendiges Übel, dass die Bundesregierung derzeit weltweit so viel Gas kauft, wie sie kriegen kann. Zu groß ist die Sorge, dass bei kaltem Wetter die Speicher plötzlich leerlaufen. Und der Erfolg ist nicht zu übersehen: Deutschland bezieht derzeit mit 2,3 Terawattstunden pro Tag sogar etwas mehr Erdgas als im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit. In wenigen Wochen gehen die ersten schwimmenden Flüssiggasterminals an den Start und ermöglichen zusätzliche Einfuhren. Auch Kritiker von Robert Habeck haben beim Thema Gasbeschaffung wenig am Bundeswirtschaftsminister auszusetzen. Deutschland steht nun viel besser da als erwartet, ein Gasmangel im anstehenden Winter scheint derzeit unwahrscheinlich. Das ist auch Habecks Erfolg, zumal die Gaskrise nicht mit diesem Winter enden wird – und wahrscheinlich auch nicht mit dem nächsten. Daher müssen sich die Bundesregierung und die beteiligten Unternehmen, die die Verträge letztlich schließen, auch um den mittelfristigen Nachschub kümmern.

In diese Lage platzt nun der jüngste Deal von Qatar Energy, ab 2026 Deutschland jährlich mit zwei Millionen Tonnen Flüssiggas zu versorgen. Das aber ist zu wenig und zu spät – in der aktuellen Krise hilft das Abkommen nicht wirklich. Die Mengen entsprechen gerade einmal drei Prozent des deutschen Jahresverbrauchs. 

Viel fataler aber ist das Signal, das Deutschland damit aussendet. Das Geschäft gilt für 15 Jahre und bindet Deutschland so bis 2041 und damit viel zu lange an einen Energieträger, der das Weltklima zerstört. Deutschland verstetigt gerade jene fossile Abhängigkeit, die der Bundesrepublik die aktuelle Energiekrise und der Menschheit die bevorstehende Jahrhundertkrise beschert hat. 

Dabei muss Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. Das ist nicht die Forderung irgendwelcher Aktivistinnen, sondern geltendes Recht. Nach dem Pariser Abkommen müsste Deutschland ohnehin noch schneller raus aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Nach Auslaufen des Deals hat Deutschland gerade noch vier Jahre auf dem Weg zu Zero CO₂. Bis kurz vor Schluss noch mal ordentlich Gas einkaufen und dann ganz schnell aussteigen – so eine Energiepolitik erinnert an den Raucher, der sich am Kiosk nicht eine, sondern zwei Schachteln holt: "Die rauch ich noch, und nächste Woche hör ich auf!" Das klappt leider selten.

Zahlreiche Studien zeigen den Weg auf, den Deutschland bis zur Klimaneutralität beschreiten muss. Manche davon hat sogar Habecks Staatssekretär Patrick Graichen in seinem früheren Leben beim Thinktank Agora Energiewende selbst verantwortet. Ganz aktuell zeigen direkt von Habecks Ministerium beauftragte Berechnungen, dass Deutschlands Gasverbrauch schon 2040 sehr überschaubar sein wird. "Für Klimaneutralität 2045 muss der Gasverbrauch bis 2036 halbiert sein", sagt der Klimawissenschaftler Niklas Höhne.

Dieser halbierte Verbrauch ließe sich vollständig mit dem Gas decken, das Deutschland derzeit aus Norwegen bezieht. Anders als Katar ist Norwegen ein demokratischer Nato-Staat. Zudem kommt das Gas per Pipeline, was wesentlich umweltfreundlicher und billiger ist als der Flüssiggastransport per Tanker über die Weltmeere.

Habeck hat zwar die Klimaneutralität 2045 bei der Bekanntgabe des Katar-Geschäfts erwähnt. Auch kauft Deutschland das Gas nicht direkt, sondern zunächst die US-amerikanische Energiefirma ConocoPhillips. Aber der Bundesklimaminister muss noch eindeutiger sagen, dass Deutschlands Bedarf an Gas von nun an Jahr für Jahr sinken muss. Zum einen als Signal an Förderländer und Energiekonzerne. Aber auch im Inland muss Habeck dafür noch stärker werben, so schnell wie möglich aus Gas auszusteigen. Im ersten Halbjahr hat noch jedes sechste neue Wohngebäude eine Gasheizung bekommen. Bei einer Lebensdauer von mindestens 15 Jahren und mehr muss dieser Anteil möglichst schnell auf null. Wenn auch die Industrie so schnell wie möglich den Fuel-Switch zu den Erneuerbaren hinbekommt, braucht es auch bald keine teure Energie mehr aus Wüstendiktaturen.