Die Erwartungen an Wladimir Putins Rede zur Lage der Nation waren groß. Schon wegen des Zeitpunkts: kurz vor dem Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine und einen Tag vor einer patriotischen Riesenkundgebung im Moskauer Luschniki-Stadion. Da hatten sich vor allem die Kriegsbefürworter und Patrioten eine flammende Ansprache des russischen Präsidenten erhofft. Etwa dass Putin endlich den Krieg beim Namen nennt und sein Volk zum Endkampf um den Sieg ruft. Auch Gerüchte um eine neue Mobilisierung machten die Runde.

Am Ende jedoch blieb Putin sich treu und lieferte einen Auftritt ab, der über weite Teile aus früheren Reden hätte zusammengeschnitten sein können. Seine Hasstiraden gegen den angeblich verlogenen und kolonialistischen Westen, gegen das imaginierte Naziregime in der Ukraine, wiederholten fast wortwörtlich seinen Auftritt zur Annexion ukrainischer Gebiete im Herbst. Darüber hinaus widmete Putin einen Großteil seiner Redezeit sozialen und wirtschaftlichen Versprechen. So verkündete der russische Präsident eine Erhöhung des Mindestlohns um 20 Prozent auf umgerechnet 250 Euro, den Ausbau der Straßen und der Gasinfrastruktur und die Gründung einer staatlichen Stiftung, die sich um die Bedürfnisse von Soldaten und ihrer Familien kümmern soll. Die Wirkungen der westlichen Sanktionen spielte Putin herunter und lobte die Gegenmaßnahmen seines Finanz- und Wirtschaftsblocks.