Klimabeschlüsse der Ampel :
Die Ökologie gerät unter die Räder

Joachim Müller-Jung
Ein Kommentar von Joachim Müller-Jung
Lesezeit: 2 Min.
Zwieträchtig beieinander: die beiden Minister Christian Lindner, FDP, und Robert Habeck, Die Grünen
Was bleibt von den Grünen nach den Klimabeschlüssen der Ampel? Ihr Identitätskern schrumpft auf das ökonomisch verträgliche Maß – und die Klimaideale bröckeln.

Das mit der Vermählung von Ökologie und Ökonomie, die der dafür engagierte Geburtshelfer Robert Habeck mit der baldigen Niederkunft vieler strahlender Helden des Planeten ins Werk zu setzen versprach, haben sich die Grünen sicher einfacher vorgestellt. Um ihren ökologischen Markenkern müssen sie jetzt ernsthaft fürchten, nachdem sie in der Ampel zugestimmt haben, dass der Kampf ums Erdklima auch mit der Aufweichung des Klimagesetzes, mit der Notrettung des Unternehmens Bahn und der Bestandssicherung fossiler Heizungsanlagen zu schaffen ist.

Was ökologischer Fortschritt heißt in dieser Fortschrittskoalition, das müssen die Grünen-Wähler jetzt ganz neu lernen. Wer künftig Natur verbraucht, muss nicht mehr für ökologisch adäquaten Ausgleich sorgen, es reicht, eine Summe auf den Tisch zu legen, und die Solarpanels, die entlang Hunderter Kilometer beschleunigt gebauter neuer Autobahnen aufgestellt werden sollen, sind ja Grünen-Symbole genug. Es gibt auch schon die passende rhetorische Schleife dazu: Verkehrsminister Wissing baut jetzt nicht mehr Schnellstraßen, die den Verkehr anheizen, er schafft solare Klimaautobahnen, damit das mit dem Klimaschutz schneller geht. Für den Autoverkehr im Land geht es also weiter im ökologischen Schongang.

Kröten schlucken für die Ökologen

Sorgen um die chronisch verfehlten Klimaziele im Verkehrssektor jedenfalls muss sich der Verkehrsminister erstmal keine mehr machen. Was er nicht schafft an Emissionsminderung, kann Habeck ja gerne liefern. In einer Ehe muss man sich schließlich arrangieren können. Motto: Ökologie ist auch, wenn man sich um die Kröten kümmert und reichlich davon schluckt. Das hat in Berlin Tradition und bringt uns auf den berühmten Tweet des umweltpolitisch unbekümmerten Ex-Generalsekretärs der Christdemokraten Paul Zemiak, der vor zwei Jahren in Erwartung von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen etwas voreilig twitterte: „Eines verspreche ich Ihnen: Die Grünen werden in den Koalitionsverhandlungen mehr Kröten schlucken, als manche von ihnen über die Straße getragen haben.“

In dem fiesen Wortspiel blitzte derselbe ökologische Zynismus auf, mit dem Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin schon drei Legislaturperioden davor im rot-grünen Ehestreit um das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu kämpfen hatte. Was zeigt: Die Kröten waren immer auf der Seite der Ökologen, allerdings nie zum Hinübertragen, immer nur zum Herunterschlucken.

Jetzt müssen die Grünen feststellen, dass sich auch in der neuen Beziehung nichts daran geändert hat. Und wenn die Ampel noch so viele Solarpanels an den Straßenrändern bauen lässt, an die Ökologie oder an die Kröten denkt dabei keiner mehr. Am Ende ist es dem armen Lurch auch egal, ob er von den Grünen geschluckt wird oder auf dem Asphalt der Liberalen unter die Räder gerät. Ökologisch ist er mausetot.