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Scheitern in Afghanistan und Mali: Europa steht vor neuen Aufgaben

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Afghaninnen verlangen ihr Recht auf Bildung und stellen sich damit gegen das Taliban-Regime, das seit der Machtübernahme vor zwei Jahren Frauen systematisch vom öffentlichen Leben in Afghanistan zunehmend ausschließt. (ara/Atef Aryan/AFP)
Afghaninnen verlangen ihr Recht auf Bildung und stellen sich damit gegen das Taliban-Regime, das seit der Machtübernahme vor zwei Jahren Frauen systematisch vom öffentlichen Leben in Afghanistan zunehmend ausschließt. © Atef Aryan/afp

Nach dem wenig erfolgreichen Engagement in Afghanistan und Mali müssen Deutschland und andere EU-Staaten ihre Außenpolitik für diese Staaten neu justieren. Der Leitartikel.

Zwei Jahre nach der erneuten Machtergreifung der radikalislamischen Taliban in Afghanistan interessiert sich hierzulande kaum noch jemand für das ferne Land. Das ist ein Fehler. Denn hätte man die Lehren aus dem fast 20-jährigen internationalen Einsatz mit deutscher Beteiligung früher gezogen, wäre womöglich das Engagement in den westafrikanischen Staaten Mali und Niger nicht ebenfalls so unrühmlich zu Ende gegangen.

Allerdings sollte man sich weniger mit sich selbst beschäftigen, wie es offensichtlich im Kern die Enquete-Kommission des Bundestages zum Bundeswehr-Einsatz macht. Das Gremium will vor allem klären, was aus deutscher Sicht schieflief. Das ist nicht falsch. Doch der Rahmen ist zu eng gesetzt.

Schließlich gelang es der US-geführten internationalen Gemeinschaft nicht, die unterschiedlichen Ziele in Afghanistan so zu koordinieren, dass sowohl Washingtons Kampf gegen den Terror wie der Aufbau eines demokratischen Staates gelingen konnte. Dafür sind beide Seiten verantwortlich. Und trotzdem gab es Fortschritte, die die Taliban seit der Machtübernahme systematisch zerstören.

Die Politik der Zukunft: Es benötigt eine Prise Realismus

Wichtiger aber als die Frage, was wer hätte besser machen können und sollen, ist die Frage, was daraus für die künftige Politik folgt. Kann die internationale Gemeinschaft für die afghanische Bevölkerung mehr tun, als die Hälfte der über 40 Millionen Menschen mit Nahrung zu versorgen, wie es die Vereinten Nationen im vergangenen Winter getan haben? Oder muss man realistisch sein und sagen: Mehr ist nicht drin?

Denn der Westen hat keinen Einfluss mehr in dem Land am Hindukusch. Die Taliban erheben zwar Anspruch auf die vielen eingefrorenen Milliarden Dollar Staatsvermögen, doch sind sie dafür zu keinerlei Kompromissen bereit. Auch nicht zu Gesprächen. Vielmehr bauen sie wie schon während ihrer ersten Regierungszeit zwischen 1996 und 2001 erneut ein Steinzeitregime auf, unter dem vor allem Frauen und Minderheiten leiden.

Bleibt dem Westen also nichts anderes, als zu warten, bis die Menschen in Afghanistan merken, dass die Taliban die Probleme des Landes nicht lösen können? Bis die Menschen dann gegen die Herrschenden revoltieren, um sie anschließend auf ihrem neuen Weg zu unterstützen?

Die Zeit nach Afghanistan: Der Westen braucht neue Pläne für Nord- und Westafrika

Die USA haben diese Marschrichtung vorgegeben. Die Biden-Administration engagiert sich jedenfalls kaum noch für Afghanistan. Washington verfolgt schon länger andere Ziele. Bereits Barack Obama hat vor gut zehn Jahren den Abzug aus Afghanistan eingeleitet und sich dem Problem China zugewandt. Für seinen Nach-Nachfolger ist außenpolitisch die Auseinandersetzung mit Peking zentral.

Und auch die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland hätte er liebend gerne den europäischen Verbündeten überlassen. Doch die sind nicht fähig und nicht bereit, eine derartige Operation zu übernehmen oder selbst zu organisieren.

Deutschland und die anderen EU-Staaten sind im Grunde dem US-Beispiel gefolgt. Im Zusammenhang mit Afghanistan blieb ihnen auch nichts anderes übrig. Schließlich saßen sie die ganze Zeit immer nur auf dem Beifahrersitz. Außerdem unterscheiden die Taliban nicht zwischen den USA und Europa.

Deutschland und die anderen EU-Staaten überlassen also notgedrungen Afghanistan den Taliban. Für Nord- und Westafrika müssen sie sich allerdings etwas anderes einfallen lassen. Denn dort bauen Russland und China ihren Einfluss aus. Und die europäischen Staaten benötigen die Staaten der Region nicht nur als Quelle für Ressourcen. Es wird auch darum gehen, die Region zu stabilisieren und mit ihnen eine Migrationspolitik zu entwickeln. Doch davon ist Europa noch weit entfernt. (Andreas Schwarzkopf)

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