Kroatien: SLAPP-Klagen auf dem Vormarsch

Kroatien verbesserte sich 2023 auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen im Vergleich zum Vorjahr um sechs Positionen auf Rang 42. Damit liegt es deutlich vor seinen Nachbarn Slowenien (Platz 50), Bosnien und Herzegowina (Platz 64), Ungarn (72) und Serbien (91). Doch kroatische Journalisten sind vielfältigem Druck aus der Politik ausgesetzt.

Mikrofone kroatischer Fernsehstationen in Zagreb. (© picture alliance / NurPhoto / Jakub Porzycki)
Mikrofone kroatischer Fernsehstationen in Zagreb. (© picture alliance / NurPhoto / Jakub Porzycki)
Reporter ohne Grenzen beklagt schon seit dem Amtsantritt der konservativen Regierung 2016, dass regierungsnahe Interessengruppen immer wieder versuchen, direkt redaktionelle Inhalte und die interne Organisation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaft Kroatiens, Hrvatska radiotelevizija (HRT), zu beeinflussen. Dieser zeigt sich alles andere als loyal gegenüber seinen Angestellten und verklagte Journalisten, die auf Unregelmäßigkeiten innerhalb des Senders hingewiesen hatten.

Staatliche Kontrolle der Presse reicht in Kroatien bis in die 1990er Jahre zurück, als vor allem während des Kriegs sowie nach der Privatisierung der Medien die meisten großen Printmedien und HRT unter Einfluss, Manipulation und Kontrolle staatlicher Institutionen standen. Von kroatischen Streitkräften im Kroatienkrieg (1991-1995) begangene Verbrechen sind bis heute ein Tabuthema.

Ein weiteres gängiges Instrument, um kritische Berichte zu unterbinden, sind Drohungen und Angriffe sowohl im realen als auch im virtuellen Raum. Denen sind besonders Journalisten ausgesetzt, die über Themen wie Korruption, Kriegsverbrechen oder organisierte Kriminalität berichten.

Zahlreiche rechtliche Hebel gegen unbequemen Journalismus
Auch auf juristischem Weg wird versucht, Medienschaffende einzuschüchtern: Das Verleumdungsgesetz, das die Beleidigung der Republik, ihrer Symbole, der Nationalhymne oder Flagge mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren belegt, ist noch in Kraft. Der Straftatbestand der "Bloßstellung" wurde zwar 2019 abgeschafft, doch es häufen sich Privatklagen gegen Journalisten wegen Beleidigung und Diffamierung, oft verbunden mit horrenden Entschädigungssummen. Dadurch wird ein Klima der Angst und Selbstzensur in den Redaktionen geschaffen.

Laut einer Untersuchung der Kroatischen Journalistengesellschaft HND waren im Mai 2023 mindestens 945 sogenannte SLAPP-Klagen (strategic lawsuits against public participation) – also unbegründete oder missbräuchliche Gerichtsverfahren – gegen Journalisten anhängig. Die Schadensersatzsumme betrug insgesamt 5,4 Millionen Euro. Das Justiz- und Verwaltungsministerium spricht von 245 neuen Schadensersatzklagen gegen Journalisten im Jahr 2022. Solche „strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ werden meist gegen Journalisten und Menschenrechtler eingesetzt, um öffentliche Kritik an den Praktiken von Politik, Unternehmen oder Privatpersonen zu verhindern.

Unter den Verlegern ist Hanza Media das häufigste Klageopfer: 421 Zivilverfahren und 11 Strafverfahren liefen gegen den Herausgeber von Jutarnji list, Globus und Slobodna Dalmacija. Styria befindet sich auf dem zweiten Platz mit 190 Zivilverfahren und 6 Strafverfahren allein gegen Večernji list und 24 Sata. Eines der Verfahren gegen Večernji list dauert mittlerweile 33 Jahre an. Ende 2022 betrug die Gesamtzahl der aktiven Strafverfahren mit angeklagten Journalisten an allen Gerichten in Kroatien 101.

Angesichts dieser Zahlen überrascht es nicht, dass der Titel „Justizbully des Jahres“ der Coalition Against SLAPP Europe (CASE) 2022 nach Kroatien ging: an den Richter Zvonko Vrban aus Osijek, der mehrere Klagen mit Schadensersatzforderungen von insgesamt mehr als 100.000 Euro gegen das Investigativportal Telegram und dessen Mitarbeiter angestrengt hatte.

Anfang 2020 wurde zumindest der Tatbestand “Nötigung einer Person, die ihre Arbeit im öffentlichen Interesse oder öffentlichen Dienst verrichtet” in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Nach Aussagen des Innenministers sollen auch Journalisten dadurch geschützt werden. Das Gesetz sieht für solche Übergriffe Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor.

Doch ein Entwurf der Regierung für ein neues Mediengesetz gibt Grund zur Sorge: Dieser sieht vor, dass Journalisten dem zuständigen Redakteur ihre Quellen preisgeben müssen. Ferner sollen alle Journalisten in einem Register erfasst werden; Verleger sollen Beiträge ohne Erklärung ablehnen dürfen; es soll verboten werden, in den Medien “das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rolle der Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft zu verringern” und ein “Rat der Medienexperten” gegründet werden, dessen Mitglieder unter anderem über die Verteilung von Subventionen an Medien entscheiden sollen. Die Kroatische Journalistengesellschaft wies den Gesetzesentwurf entsetzt zurück und das zuständige Ministerium sicherte Verbesserungen zu.

Ausländische Medienhäuser dominieren den Markt
Der kroatische Medienmarkt wird von meist großen ausländischen Medienhäusern dominiert, die sich während der politischen Stabilisierung und Demokratisierung des Landes zu Beginn der 2000er Jahre eingekauft hatten. Die auflagenstärksten Tageszeitungen werden von der ehemaligen Europapress Holding EPH, heute Hanza Media (Jutarnji List, Slobodna Dalmacija, Globus), sowie von der österreichischen Styria Media Group AG (24 Sata, Večernji List) herausgegeben. Dem deutschen Bertelsmann-Konzern gehören über seine Tochter RTL Hrvatska drei Fernsehsender. Nova TV und Doma TV gehören zur US-amerikanischen United Group. Diese Medienkonzentration führt in dem kleinen Staat zu einer für die Pressefreiheit gefährlichen Nähe zwischen Medien und Staatsapparat sowie den Medien und den zwei großen Parteien HDZ und SDP.

Der Markt der Onlinemedien wird von den großen Medienhäusern dominiert, die dort versuchen, ihre Verluste im Printgeschäft zumindest teilweise zu kompensieren. Die privaten Fernsehanstalten bieten auf ihren Internetportalen allgemeine Informationen frei verfügbar an, führen aber verstärkt Bezahlmodelle für den Abruf ihres TV-Angebots ein.

2016 hatte die Regierung die Unterstützung für unabhängige, alternative Medien eingestellt, was deren Macher an die Grenze des Ruins trieb. Trotz wirtschaftlicher Not halten sich Portale wie Forum.tm und Autograf.hr aber durch Spenden und EU-Fonds über Wasser. Größere Portale, wie Index.hr und Telegram.hr, sichern sich mit Hilfe von Anzeigen und Marketing eine Unabhängigkeit, die es ihnen ermöglicht, investigativen Journalismus zu betreiben, der zahlreiche Skandale aufgedeckt und mehrere Minister zum Rücktritt gezwungen hat.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Platz 42 (2023)

Stand: November 2023
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