Zypern: Geteilte Öffentlichkeit

Seit der Besetzung des Nordens von Zypern durch das türkische Militär 1974 ist auch die Medienlandschaft auf der Insel zweigeteilt. Die Angst vor Prozessen, Verhaftungen und Angriffen verleitet viele Journalisten zur Selbstzensur. Nach der Finanz- hat nun auch die Corona-Krise dem Zeitungsmarkt einen großen Schlag zugefügt.

Eine Frau demonstriert gegen Angriffe türkischer Nationalisten auf die Zeitung Afrika im Norden Zyperns.
Eine Frau demonstriert gegen Angriffe türkischer Nationalisten auf die Zeitung Afrika im Norden Zyperns.
Im Süden der Insel wurde die Pressefreiheit in den vergangenen Jahren weitgehend geachtet. Als jedoch Journalisten 2017 private E-Mails einer ranghohen Staatsanwältin veröffentlichten, wurden sie von der Polizei verhört und sogar beschuldigt, eine Straftat begangen zu haben. Im März 2018 wandten sich deshalb sechs zyperngriechische EU-Abgeordnete mit einem gemeinsamen Schreiben an die Europäische Kommission. Anfang April 2018 kündigte der Generalstaatsanwalt dann an, dass keine Strafverfolgung gegen die Journalisten stattfinden wird und die Verhöre im Rahmen der Untersuchung beendet sind. Anfang 2020 hat jedoch die Staatsanwältin eine neue Klage gegen die Leitung von Politis, wo die Mails veröffentlicht wurden, sowie sechs Journalisten eingereicht. Sie verlangt eine Entschädigung von bis zu zwei Millionen Euro und wirft den Journalisten vor, eine Anordnung von Anfang 2018, die die Veröffentlichung der E-Mails angeht, ignoriert zu haben.

Selbstzensur unter Journalisten hat auf Zypern in den letzten Jahren zugenommen. Laut Beobachtern werden Themen tabuisiert, da Journalisten Angst haben, ins Visier eines korrupten Netzwerks von internationalen Unternehmen zu geraten, die auf der Insel stark präsent sind. Journalisten im türkisch besetzten Norden der Insel müssen bei kritischen Berichten mit Repressalien, Verhaftungen oder gar gewalttätigen Angriffen rechnen. Im Januar 2018 griffen beispielsweise Nationalisten die zyperntürkische Zeitung Afrika an, die zuvor die türkische Militäroperation im syrischen Afrin kritisiert hatte. Der türkische Präsident Erdoğan hatte in einer Rede diesen Artikel erwähnt und seine "nordzyprischen Brüder und Schwestern" zu einer "Antwort" aufgerufen.

Medien als Brückenbauer

Der Zeitungsmarkt im Süden der Insel wird von sechs großen Blättern in griechischer Sprache und einer englischsprachigen Zeitung bestimmt. Im besetzten Teil gibt es mindestens 19 türkischsprachige Tageszeitungen, die größte ist Kıbrıs. Mehrere Zeitungen sind stark mit zyperntürkischen Parteien verbandelt. Die Anzahl der Tageszeitungen in Nordzypern hat in den letzten Jahren stark zugenommen, nachdem Unternehmer aus der Türkei in diesem Bereich aktiv wurden.

Die jahrelang ergebnislosen Verhandlungen über die Lösung des Zypernkonflikts wurden von den zyprischen Medien intensiv verfolgt. Als im Sommer 2017 zum wiederholten Mal ein Versuch scheiterte, ein Abkommen zu erreichen, konnte man während der Verhandlungen im Vergleich zu vorherigen Anläufen einen stärkeren Pluralismus in der Mediendebatte beobachten. Außerdem wurde die Zusammenarbeit zwischen Medien und Journalisten beider Seiten in den letzten Jahren durch verschiedene Projekte gestärkt. Im Sommer 2018 wurde beispielsweise mit Unterstützung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein gemeinsames Glossar veröffentlicht, um sensible Begriffe und potenziell hetzerische Äußerungen zu vermeiden. In der Praxis wird es jedoch kaum angewendet.

Insgesamt sank die verkaufte Auflage der Zeitungen infolge der Finanzkrise stark. Die Löhne vieler Journalisten wurden gekürzt, zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Durch die Corona-Krise hat sich diese Situation noch einmal verschärft, die Verkäufe von Zeitungen gingen drastisch zurück, Einnahmen aus Anzeigen brachen ein. Im April 2020 bewilligte das Kabinett der Republik Zypern 700.000 Euro zur Unterstützung der Medien.

Geostrategische Themen im Fokus

Anders als in der Vergangenheit, als der Schwerpunkt der Berichterstattung auf politischen Themen lag, stehen heute auch wirtschaftliche Themen im Fokus, sowie geostrategische, zum Beispiel der Gasstreit im Mittelmeer. Die Bedeutung digitaler Medien - insbesondere der Nachrichtenportale und alternativer Onlinequellen sowie sozialer Medien wie Facebook und Twitter - nahm in den vergangenen Jahren zu. Im Allgemeinen gibt es in Zypern die Tendenz, das Internet als primäre Nachrichtenquelle zu nutzen.

Der Einfluss von Parteien und orthodoxer Kirche auf die Medien ist groß. So besitzt etwa die Kirche einen Teil des TV-Senders Mega. Die Tageszeitung Haravgi steht der Kommunistischen Partei nahe, ebenso der Radiosender Astra.

Bis in die 1950er Jahre stand der Rundfunk auf Zypern unter britischem Einfluss. Heute gibt es im Süden der Insel zwei staatliche und sieben private Fernsehkanäle. Die Zuschauer bevorzugen die privaten Kanäle wegen der griechischen Unterhaltungsprogramme und Serien. Im Norden werden eher Sender aus der Türkei konsumiert. Dort gibt es einen türkisch-zyprischen und sieben private TV-Sender, aber auch Internet-TV und -Radio.

Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen):
Zypern: Platz 28 (2020)
Nordzypern: Platz 74 (2020)

Stand: April 2020
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