Frankreichs Anti-Fakenews-Initiative in der Kritik
In Frankreich sollen Medien künftig per Richterurteil gezwungen werden können, Falschinformationen zu löschen - zumindest im Zeitraum von drei Monaten vor nationalen und Europawahlen. Während französische Medien von der Sinnhaftigkeit des Gesetzesvorschlags nicht unbedingt überzeugt sind, kommt aus Russland der Vorwurf der Doppelmoral.
Illusorisches Bollwerk gegen Falschmeldungen
Warum es kein Gesetz gegen Falschmeldungen braucht, erklärt Les Echos:
„Was haben wir davon? Dass es dann eine offizielle Wahrheit gibt, nämlich die, die das Gesetz nicht für falsch hält? ... 'Die freie Kommunikation der Gedanken und Meinungen ist eines der wertvollsten Rechte des Menschen', so steht es in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, und weiter heißt es: 'Jeder Bürger kann also frei sprechen, schreiben und veröffentlichen, außer wenn diese Freiheit in den vom Gesetz definierten Fällen missbraucht wird.' Diese Fälle existieren schon, und es gibt eine umfangreiche Jurisprudenz zu diesem Thema. Es ist also unnütz, die Liste leichtfertig zu verlängern. Diese 'fake law', ein illusorisches Bollwerk gegen die 'fake news', wird unanwendbar sein.“
Wer manipuliert hier die Medien?
Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti sieht als Auslöser des Gesetzesprojektes den Konflikt Macrons mit den russischen Medien Russia Today und Sputnik während seines Präsidentschaftswahlkampfs:
„Das Ziel von Macrons Anti-Fake-Initiative ist weniger der Kampf gegen die Verbreitung von Lügen, als der Versuch, der Staatsmacht schadende Informationen, auch in den sozialen Medien, unter Kontrolle zu bekommen ... Jetzt merken auch die Franzosen erstaunt, dass in ihrem Land die offiziellen Organe festlegen könnten, welche Information 'einzig wahr' ist, und welche eine Information, deren Verbreitung man bestrafen muss. ... Der Versuch Macrons, unter dem Vorwand des Kampfes gegen russische Journalisten, die Zensur einzuführen, sollte allen Medien eine Lehre sein, die mit Freude Russland an den Pranger stellen.“
Gesetz kann Vertrauen nicht wieder herstellen
Le Monde ist vom Nutzen der geplanten Regelungen nicht überzeugt:
„Im Gegensatz zu dem, was dieses unnütze Gesetz einen glauben machen will, baut man Vertrauen langfristig auf. Das gilt für das Vertrauen zwischen Journalisten und Lesern ebenso wie für das Vertrauen zwischen Politikern und Wählern: mit jedem Artikel und mit jedem Tag des Mandats. Das größte Problem unserer Gesellschaft sind nicht die Fake News, sondern der Fakt, dass viele Bürger beschlossen haben, sie zu glauben. Die bedeutendste Krise unserer Demokratien ist das wachsende Misstrauen des Volkes den Institutionen gegenüber. Gefährlicher als die Falschmeldungen ist der Gedanke, dass ein symbolisches Gesetz der Ausweg sein könnte.“
Das wahre Problem sitzt in Kalifornien
Fake News können nicht wirksam bekämpft werden, wenn man außer Acht lässt, wo sie entstehen, schimpft Le Figaro:
„Dieser Gesetzestext geht an der wahren Gefahr vorbei. Man könnte von der 'Silikonisation der Information' sprechen, ihrer Aneignung durch die großen kalifornischen Gruppen, die berühmt-berüchtigten GAFA [Google, Amazon, Facebook, Apple], die sich um Lüge und Wahrheit nicht scheren, solange etwas Leserschaft bringt. Diese Plattformen, die außerhalb des Steuerrechts und des Gesetzes leben, mischen Zeitungsartikel mit unsinnigem Quatsch, um Quote zu machen. So ziehen sie fast den ganzen Werbemarkt an sich, was die traditionellen Medien irgendwann töten wird. Wenn nichts getan wird, werden wir in ein paar Jahren in Europa nur noch 'Informationen' lesen, die direkt oder indirekt von ein paar kalifornischen, russischen oder chinesischen 'Fabriken' hergestellt werden. Like?“