Macron sagt Islamismus den Kampf an
Frankreichs Präsident Macron will härter gegen radikalen Islamismus in seinem Land vorgehen. "Was wir bekämpfen müssen, ist der islamistische Separatismus", sagte Macron bei einem Besuch im Pariser Vorort Les Mureaux. Er sprach sich für ein Verbot fundamentalistischer Verbände aus, die französische Werte und Gesetze missachten. Auch wolle er gegen "Ghettobildung" vorgehen und Problemviertel "zurückerobern". Kann das funktionieren?
Man kann Gewalt nicht mit mehr Gewalt bekämpfen
Zu Macrons Maßnahmen soll auch ein Home-Schooling-Verbot gehören. Völlig falsch, schreibt ein Kollektiv von Pädagogen in Libération:
„Wir stellen das sicherheitspolitische Abdriften einer politischen Klasse fest, die mit Gewalt nicht anders als mit mehr Kontrolle, also mehr Gewalt, umzugehen weiß. ... Die Schule ist die Hauptursache für die drastische Einschränkung der Freizeit der Kinder. ... Sie übt einen totalen Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung aus und verursacht emotionale Brüche in den Familien. ... Und all dies im Namen der irrigen Vorstellung, vielleicht einer Lüge, von Sicherheit. Sicherheit war immer der Vorwand für diejenigen, die mehr Kontrolle etablieren und die letzten Bastionen der Vielfalt und Autonomie abbauen wollen, anstatt über nachhaltige und vor allem kollektive Wege der Gewaltbewältigung nachzudenken.“
Die tiefen Gräben liegen woanders
Macron verkennt die wahren Trennlinien in seinem Land, urteilt L'Opinion:
„Zu lange schon hat die französische Gesellschaft mit den Spaltungen gelebt, die sie untergraben und genau dann schwächen, wenn die zu bewältigenden Herausforderungen Zusammenhalt erfordern. ... Viele unserer Spitzenpolitiker haben die Franzosen abwechselnd in wirtschaftlichen, sozialen, politischen und gesellschaftlichen Fragen gegeneinander aufgebracht. Wie Zauberlehrlinge sind sie das Risiko eingegangen, letztlich irreparable Brüche zu verursachen. Es ist an der Zeit, dass der Präsident der Republik erkennt, wie tief diese Brüche sind und wie notwendig es ist, die Voraussetzungen für eine Versöhnung zu schaffen, nach der alle Teile des französischen Volks so sehr dürsten.“
Ein Drahtseilakt
Viel Fingerspitzengefühl wünscht El País denjenigen, die das Vorhaben umsetzen sollen:
„Bei der in Frankreich von Präsident Emmanuel Macron lancierten juristischen Offensive gegen den islamistischen Extremismus handelt es sich um ein wichtiges Anliegen mit löblichen Zielen, das aber nicht ohne Risiken ist. Es geht einerseits darum, den Rechtsstaat auf dem gesamten Territorium durchzusetzen und allen Bürgern den Schutz seiner Werte und Instrumente anzubieten. Gleichzeitig muss man aber verhindern, dass die Ausformulierung Stigmatisierung auslöst oder islamfeindliche Einstellungen fördert. In unterschiedlichen Ausprägungen geht die Integration der muslimischen Bevölkerungen viele europäischen Gesellschaften an, sodass die französische Initiative über die nationalen Grenzen hinaus von Interesse ist.“
Islam mit gestutzten Flügeln
Macrons Vorstoß, Moscheen und muslimische Vereine in Frankreich stärker zu kontrollieren, sorgt bei der islamisch-konservativen Tageszeitung Yeni Şafak für Empörung:
„Macron glaubt, Frankreich mit dem Laizismus des 19. Jahrhunderts und einer etatistischen Republik zu festigen. Er möchte die französische Staatsmacht in den Körpern, im Essen und Trinken, der Kleidung, der Sprache und im Wertesystem der Muslime sehen. ... Die muslimische Existenz wird in allen Details beobachtet, kontrolliert, diszipliniert und gesteuert. ... So wird der Muslim dazu verurteilt, sich den klassischen westlichen Vorlieben zu beugen: entweder Taufe oder Exil oder als neue postmoderne Option ein protestantischer Islam. Das ist ein Islam mit gestutzten Flügeln und kastrierter Seele. So bleibt vom Islam weder Bewusstsein, Wille noch Persönlichkeit übrig. “
Die Negation Frankreichs
Der Europaabgeordnete Nicolas Bay vom rechtsextremen Rassemblement National wittert in Causeur den Ausverkauf der französischen Nation:
„Die Ankündigungen Emmanuel Macrons gegen den 'Separatismus', in Wirklichkeit ausschließlich gegen den 'islamistischen Separatismus', wie er selbst auf seiner Pressekonferenz einräumte, sind nicht unbedeutend. Es wäre falsch, sie mit Verachtung zu behandeln und nur die Details ihrer Umsetzung zu diskutieren. Leider geht es vor allem um die Akzeptanz und Förderung einer multikulturellen Gesellschaft, die mit Frankreich nur noch den Namen gemein hätte. ... Diese Negation Frankreichs kann die islamistische Offensive nur verstärken. ... Diese von Emmanuel Macron vorgeschlagene Republik ist nicht Frankreich, und sie ist kein Schutzwall gegen, sondern eine Autobahn für den Separatismus.“