Muss sich Zypern mit dem Status quo abfinden?
Das Treffen in Genf zur Zypern-Frage ist nach drei Tagen ergebnislos geendet. UN-Generalsekretär António Guterres räumte ein: Nicht einmal für die formelle Aufnahme von neuen Verhandlungen gebe es genügend Gemeinsamkeiten zwischen der griechisch-zyprischen und der türkisch-zyprischen Seite. Guterres will dennoch bald einen neuen Gesprächsanlauf unternehmen. Die Presse zeigt sich resigniert.
Nikosia braucht eine effiziente Strategie
Nikosia ist zu passiv, findet Phileleftheros:
„Die Türken stellen einen Anspruch und die griechisch-zypriotische Seite rennt, um die Feuer zu löschen. ... Es gibt immer noch keine Politik für die Zyperntürken, sie aus der Türkei zu befreien, damit sie als Bürger des gemeinsamen Staates Republik Zypern operieren können. Wenn die Führer der griechisch-zypriotischen Seite dogmatisch auf eine ineffiziente Politik mit spaltenden Merkmalen bestehen, wird der nächste Schritt darin bestehen, direkt in die türkische Falle zu tappen. ... Eine Änderung der Politik ist nötig, mit dem Ziel, die Besatzung zu beenden, die Insel zu befreien und einen funktionierenden demokratischen Staat zu haben.“
Ankara will nur die Spaltung
Das Scheitern dieses Treffens war vorhersehbar, schreibt Kostas Ifantis, Professor für internationale Beziehungen an der Panteion-Universität in Athen, auf Liberal:
„Es war das wahrscheinlichste Szenario, und das wusste der UN-Generalsekretär. Aus diesem Grund war das Treffen formlos. … Jeder kannte die türkischen Positionen, keiner hat das Alibi der Unwissenheit. Die türkische Seite hat mit dem Tag, an dem es ihr mit ihrer offenen Intervention gelungen war, in den besetzten Gebieten Ersin Tatar zu wählen, ganz klar ihre Positionen ausgedrückt. Für Ankara kann es keine Lösung geben, außer auf der Grundlage eines Plans, der ganz eindeutig zu einer Spaltung führt: Zwei souveräne Staaten, die nur durch die geografischen Grenzen der Insel 'vereint' werden.“
Keine Grundlage mehr für einen Dialog
Äußerst pessimistisch zeigt sich nach dem Treffen die griechisch-zyprische Zeitung Cyprus Mail:
„Ankara wird an seiner Forderung nach zwei Staaten festhalten mit der Begründung, dass alle Bemühungen, eine bizonale bikommunale Föderation zu vereinbaren, zum Scheitern verurteilt sind. ... Mit der Forderung nach zwei Staaten hat die Türkei die Grundlage für Gespräche vernichtet. ... Die Gemeinsamkeiten, nach denen Guterres und sein Team suchen werden, existieren nicht mehr, das hat Genf gezeigt. Es könnte sein, dass das Genfer Treffen das letzte Kapitel des zypriotischen Friedensprozesses war, das sechs Jahrzehnte erfolgloser Verhandlungen zu Ende brachte. Die Vereinten Nationen werden den Aussagen von Guterres zum Trotz nicht auf unbestimmte Zeit nach einer nicht vorhandenen gemeinsamen Basis suchen.“
Tatar verkauft Niederlage als Sieg
Wie kann man uns dieses ergebnislose Treffen als einen Sieg verkaufen, schimpft Kolumnist Gökhan Altıner in der türkisch-zyprischen Zeitung Kıbrıs Postası:
„Wissen Sie, was mich am meisten ärgert? Dass Präsident Tatar und sein Team immer wieder Statements abgegeben und von einem 'historischen Tag' gesprochen haben. Was soll an diesem Tag bitte schön historisch sein? Freut Ihr euch etwa darüber, dass Ihr als die türkische Seite einen Vorschlag zur Anerkennung Nordzyperns eingebracht und dokumentieren lassen habt, von dem klar war, dass ihn niemand akzeptieren würde? … Das ist unfassbar!“
Wenig Hoffnung auf Gemeinsamkeit
Der eingefrorene Konflikt ist zum Dauerzustand geworden, analysiert die taz:
„Denn jede Seite beharrt auf ihren nationalen Erzählungen als Opfer der jeweils anderen. ...[L]ängst sind auf Zypern zwei parallele Gesellschaften entstanden, die wenig miteinander gemein haben. Wer jünger als 50 Jahre alt ist, kennt nichts anderes als zwei strikt getrennt voneinander lebende Gruppen. Pragmatiker mögen deshalb argumentieren, man möge diese Realität auch politisch anerkennen und den Status quo festschreiben. Das wäre ein Sieg nationalistischen Denkens über die Vorstellung gemeinsamen solidarischen Verhaltens. Und es wäre das Eingeständnis, dass Vernunft auf Zypern keine Chance hat.“
Zumindest wird wieder geredet
Alles ist besser, als überhaupt nicht mehr zu verhandeln, kommentiert Hürriyet Daily News:
„Allein schon die Wiederaufnahme der Gespräche zum ersten Mal seit 2017 ist eine positive Entwicklung. Die beiden Inselgemeinschaften, die griechischen und die türkischen Zyprioten, können jetzt mit den Garantiemächten - Großbritannien, Griechenland und der Türkei - unter der Schirmherrschaft der UN zusammenkommen. Reden ist immer noch die bessere Alternative. Es ist außerdem gut, um die Frustration der türkischen Zyprioten zu beenden, die seit Jahrzehnten in quälender Unsicherheit leben, in der Hoffnung auf eine Wiedervereinigung.“