Haushalte 2022: Ist Europa der Zukunft gewachsen?
Die Parlamente Europas diskutieren derzeit die Haushalte für das Jahr 2022. Dabei geht es vor allem um die Stabilisierung der Wirtschaft nach der Corona-Krise. Während die Inflation zunimmt und die Energiepreise steigen, soll Europa zudem klimafreundlicher werden: Die Milliarden aus dem EU-Wiederaufbauplan sind an Auflagen gebunden. Europas Presse offenbart den Facettenreichtum der Herausforderungen.
EU braucht einen neuen Stabilitätspakt
Italiens Haushaltsplan für die kommenden drei Jahre geht von einer flexibleren Geldpolitik in Europa aus. Es ist an der Zeit, einen neuen europäischen Stabilitätspakt auszuhandeln, findet Avvenire:
„Es wird ein langer und holpriger Weg beginnen, auf dem die 'Falken', die das Risiko einer übermäßigen Solidarität fürchten, und die 'Tauben', die sich über zu viele Auflagen aufregen, wieder auf den Plan treten werden. Die Forderungen der Länder, die sich selbst als 'sparsam' bezeichnen, werden mit denen der Länder kollidieren, die mehr Defizite fordern - eine Dialektik, die unvermeidlich und sogar notwendig ist, solange sie nicht in einen lähmenden Konflikt ausartet. Auf jeden Fall bleibt ein Zeitfenster, das nicht verpasst werden darf, um Europa zumindest eine erweiterte und flexible steuerliche Solidarität zu bieten.“
Kein hausgemachter Haushalt
Das Budget fürs kommende Jahr ist nur dank Brüssel möglich, bemerkt Eco:
„Es ist die Umsetzung des europäischen Haushaltes in Portugal. Anders ausgedrückt: Es handelt sich nicht wirklich um einen portugiesischen Haushalt, sondern um den Haushalt, den die Europäische Union im Jahr 2022 dem portugiesischen Staat ermöglicht. Nur die EU-Mittel erlauben es, die strategischen Prioritäten zu stemmen: den sozialen und ökonomischen Wiederaufbau, die Einkommenserhöhung für Familien und die Unterstützung der Unternehmen bei Investition, Innovation, Liquidität und Verschlankung.“
Endlich Mut zum Klimaschutz
Dass Maltas Regierung 2022 klimaschonende Mobilität fördern will, freut Times of Malta:
„Wenn das Budget durch eine Farbe definiert werden müsste, wäre das dieses Jahr grün. In einem begrüßenswerten und notwendigen Ansatz steuert die Regierung Wirtschaft und Gesellschaft auf eine grünere Zukunft zu. ... Die Elektrifizierung von Autos hat hohe Priorität. Neben den großen Anreizen zur Unterstützung des Kaufs solcher Fahrzeuge sind auch die Investitionen in die Ladeinfrastruktur von entscheidender Bedeutung, um den Übergang zu unterstützen. Der mutige Schritt, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel kostenlos zu machen, ist ebenfalls zu begrüßen - auch wenn die Nachhaltigkeit und Gesamtkosten dieser Maßnahme noch genauer analysiert werden müssen.“
Österreich knausert am falschen Ende
Die Alpenrepublik setzt falsche Prioritäten, kritisiert Der Standard:
„Viel mehr für das Klima, ein wenig mehr für Bildung, Forschung, Landwirtschaft und Kultur. ... Das Plus bei der Bildung deckt gerade die erwartbaren Gehaltserhöhungen für die Lehrerschaft ab. Die Beamtenpensionen kosten mehr, als das gesamte Bildungsbudget vorsieht, und beides wird vom jährlichen Zuschuss zu den allgemeinen Pensionen in den Schatten gestellt. Für das Riesenproblem Pflege wird keine Vorsorge geleistet, die Kindergärten bleiben unterfinanziert. Österreich buttert kräftig in die Vergangenheit und knausert bei der Zukunft. Von Gestaltungswillen und Reformkraft ist hier wenig zu merken.“
Explosive Bedingungen
To Vima macht sich Sorgen, weil die Corona-Hilfen für Arbeitnehmer und Unternehmen im neuen Haushalt Griechenlands stark gekürzt werden sollen:
„Wie aus dem Haushaltsentwurf 2022 hervorgeht, werden diese Ausgaben von 16,7 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 2,6 Milliarden Euro gesenkt. Wir sprechen also von einer plötzlichen Reduzierung, die in Kombination mit der Energiekrise und der kommenden Welle der Preiserhöhungen explosive Bedingungen für kleine Unternehmen und ihre Mitarbeiter schaffen kann. Das Problem ist den Finanzfachleuten der Regierung bekannt, und sie sollten nach einer Lösung suchen, um eine sanftere Landung in der neuen Realität zu ermöglichen.“
Orbán verspricht das Blaue vom Himmel
Der ungarische Premier betreibt Wahlkampf aus einem Budget, das es gar nicht gibt, beobachtet Népszava:
„Bereits im Sommer gab es zahlreiche Beispiele dafür, wie Viktor Orbán die Bevölkerung mit einer Reihe von Versprechen bombardierte, die im Haushaltsgesetz für 2022 [das im Frühling verabschiedet wurde] noch gar nicht vorgesehen waren. Die aufeinanderfolgenden Ankündigungen von Lohn- und Rentenerhöhungen, Steuerentlastungen und Prämien in der vergangenen Woche übertreffen schon jetzt fast alle ähnlichen 'Wohlfahrtsmaßnahmen' der vergangenen 20 Jahre, und sie dienen als Paradebeispiel dafür, was man 'haushaltspolitischen Alkoholismus' nennen könnte.“
Wir brauchen ein neues Steuersystem
Spätestens 2023, wenn die Corona-Hilfen der EU auslaufen, muss Spanien seine Staatsfinanzen restrukturieren, schreibt El País:
„Unser strukturelles Haushaltsdefizit hat seinen Ursprung nicht in den laufenden Ausgaben oder den kostspieligen Investitionen, sondern in unserer geringen Steuerquote im Verhältnis zum BIP. Sie entspricht in Spanien 34,8 Prozent, das sind 5,7 Prozentpunkte weniger als die durchschnittlichen 40,5 Prozent der Eurozone. ... Es gibt einen Weg, den Haushalt zu konsolidieren, ohne dass dies zu Lasten von Investitionen oder Sozialausgaben geht. Dieser Weg ist eine Steuerreform. In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft ist dies kein ausschließlich lokales Thema. ... Die jüngste OECD-Vereinbarung über einen Mindestkörperschaftssteuersatz von 15 Prozent sollte nur ein erster Schritt sein.“