Macron knöpft sich Ungeimpfte vor
Frankreichs Präsident Macron sorgt mit drastischen Ansagen für Schlagzeilen: Er werde Impfgegner "bis zum Ende nerven" und ihr soziales Leben drastisch einschränken, erklärte er in einem Interview mit der Zeitung Le Parisien. Ab Mitte Januar will er daher die Corona-Regeln verschärfen und Ungeimpften unter anderem den Zugang zu Restaurants und Theatern verwehren. Die europäische Presse wirft Macron Taktik und Gefühlskälte vor.
Präsident versteht die Bürger nicht
Macron schneidet sich mit der Aussage, dass er Ungeimpfte "piesacken" und ihnen das Leben schwer machen möchte, ins eigene Fleisch, findet The Spectator:
„Macron hat offensichtlich aus seinen Irrtümern und Fehleinschätzungen nichts gelernt und seine krassen jüngsten Äußerungen werden den Eindruck verstärken, dass er ein gefühlskalter Präsident ist, der die Menschen, die er regiert, nicht versteht. Mit all seiner kriegerischen Rhetorik wird er nichts weiter erreichen, als die Ungeimpften noch mehr zu befremden. Und von den 90 Prozent der Geimpften wird er viele alarmieren, die Le Pens Meinung teilen, dass es sich um Kommentare handelt, die für einen Präsidenten nicht angemessen sind, der sie führen soll.“
Französischer Trumpismus
Macrons Aussagen erinnern Le Figaro an Donald Trump:
„Kein anderer Staats- oder Regierungschef hat in den letzten Monaten eine Sprache verwendet, die so wenig mit dem demokratischen Kanon vereinbar ist. Macrons Aussagen sind nicht verwunderlich, denn sie setzen eine Tendenz fort, die durch die Pandemie nur beschleunigt wurde. Macron hat etwas mit Trump gemeinsam: Dass er versucht, seine Wähler durch eine ebenso unverblümte wie verletzende Kommunikation zu mobilisieren. So gesehen ist der Macronismus nichts anderes als ein Trumpismus der Eliten.“
Jetzt wird es schmutzig
Macron hat seinen Wahlkampf nun endgültig begonnen, doch auf die falsche Art und Weise, findet L'Obs:
„Sie hätten Marx zitieren können, Herr Präsident, oder Rosa Luxemburgs berühmten Satz 'Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden'. Sie hätten rhetorische Pirouetten drehen können und die Outlaws von oben herab verunglimpfen können. Doch sie haben sich dazu entschieden, mit Punchlines und Sätzen, die nach Kanonenpulver riechen, in die Arena einzutreten. … Sie haben also die Option gewählt, sich die Hände schmutzig zu machen und Ihre Muskeln zu zeigen.“
Das Kalkül könnte aufgehen
Die Covid-Polemik gehört zu Macrons Wahlkampf-Taktik, meint Trud:
„Die Verwendung des umgangssprachlichen 'emmerder' [nerven, ärgern], das nicht Teil des traditionellen politischen Jargons in Frankreich ist, hat etwas mehr als hundert Tage vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl für Entrüstung unter französischen Politikern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gesorgt. Die Kandidatin der konservativen Republikanischen Partei, Valérie Pécresse, die mit dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron in der Stichwahl landen könnte, warf dem Staatschef vor, die Franzosen in 'gut und böse' zu teilen. … Emmanuel Macron geht in die Offensive und nutzt die Covid-19-Pandemie, um in Führung zu gehen. Jüngste Studien zeigen, dass fast zwei Drittel der Franzosen die Einführung eines obligatorischen Covid-Impfzertifikats befürworten.“