Berlin zögert nach wie vor bei Leoparden für Kyjiw

Deutschland hält sich weiterhin zurück, einer Lieferung von Leopard-2-Panzern in die Ukraine zuzustimmen. Viele Verbündete, die auf eine Lieferung drängen, hatten eine Entscheidung in Ramstein am vergangenen Freitag erwartet. Polen erwägt nun einen Alleingang, den Deutschland nach Aussage von Außenministerin Baerbock nicht blockieren würde. Europas Presse bewertet die Lage.

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taz, die tageszeitung (DE) /

Washington kann Russland abschrecken, Berlin nicht

Die taz nimmt Scholz in Schutz:

„Scholz beharrt offenbar bislang darauf, dass die USA parallel Abrams-Panzer liefern sollen. Das ergibt militärisch keinen Sinn ... . Politisch aber ist dieses Junktim sinnvoll. Es dient der Risikostreuung. Nur die USA können Russland vor einer Ausweitung dieses Krieges abschrecken. ... Drohungen kann Washington glaubhaft aussprechen, Berlin nicht. Dass sich Scholz bei Kampfpanzern hinter den USA einreihen will, mag schmal begründet sein. Aber es ist eine rationale Einschätzung der Kräfteverhältnisse im Westen: America first. Deutschland ist nur im Feuilleton eine Führungsmacht.“

Avvenire (IT) /

Eigentlich geht es ums Geschäft

Hinter den öffentlich gemachten Argumenten gibt es auch wirtschaftliche Interessen, die keiner ausspricht, meint Avvenire:

„Hinter den Kulissen tobt ein unerbittlicher Wirtschaftskrieg zwischen deutschen und amerikanischen Industriellen. Washington wittert einen großen Reibach. Es hat seinen europäischen Verbündeten die sofortige Lieferung von Panzern zugesagt, die die Panzer ersetzen würden, die an Kyjiw abgegeben werden. Bislang hatte Berlin ein nahezu exklusives Monopol auf dem europäischen Panzermarkt. Doch Washington ist bereit, dies zu unterwandern. Business geht vor.“

Kurier (AT) /

Gefundenes Fressen für die Kreml-Propaganda

Laut Kurier wird in Russland wieder die Nazi-Keule hervorgeholt:

„Es braucht nicht viel Fantasie, um sich die im geschichtsträchtigen Schwarz-Weiß gehaltenen Fotoshop-Kunstwerke vorzustellen, die die russische Propaganda vermutlich längst parat hat: Ein paar Hakenkreuze auf einem deutschen Leopard-Panzer, der an ein paar traurig dreinschauenden Großmüttern in einem Dorf vorbeirollt. Fertig ist die Botschaft, die der Kreml ohnehin seit Kriegsbeginn aus allen Propagandarohren feuert: Schon wieder rollen die Nazis Richtung Russland - und diesmal, so genau nimmt man es da historisch nicht, gleich gemeinsam mit dem Rest des bösen Westens.“

NV (UA) /

Mit Beharrlichkeit drängen

In einem Beitrag für NV beklagt sich Politologe Wolodymyr Fessenko über die zögerliche Haltung der Deutschen:

„Ich glaube, dass viele Ukrainer nach dem Ramstein-Treffen vom 20. Januar enttäuscht waren. Viele sind sogar sehr enttäuscht. ... Aber jetzt sollten wir uns nicht der Enttäuschung und Verbitterung hingeben. Wir müssen rational reagieren. Mit Geduld und Beharrlichkeit. ... Unsere übermäßig vorsichtigen deutschen Partner müssen noch dazu gedrängt werden, die richtige und unvermeidliche Entscheidung zu treffen. Sie sind noch ein wenig unreif.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Merkeln in Kriegszeiten ein Fehler

Gazeta Wyborcza betont:

„Das Wort Scholzing hat Einzug in den Wortschatz der europäischen Politik gehalten. Es bedeutet, Hilfe zu versprechen und gleichzeitig alles zu tun, um sie aufzuschieben. Dies erinnert an die Politik von Angela Merkel, die in der Regel keine Entscheidungen unter Druck traf und die großen Probleme mit kleinen Schritten löste. Dieser Ansatz mag in Zeiten des Friedens funktioniert haben. In Zeiten des Krieges ist dies jedoch ein beschämender Fehler.“

El País (ES) /

Das ist eine gemeinsame Verantwortung

El País zeigt Verständnis für Berlin:

„Deutschland möchte nicht, dass seine Entscheidung als seine alleinige Regierungsentscheidung gedeutet wird. Putin-nahe Medien haben schon an die Hitler-Panzer erinnert, die 1941 im Rahmen der Operation Barbarossa in die Sowjetunion eindrangen. Daher das deutsche Interesse an einer Diversifizierung und einem Beitrag Washingtons mit Abrams-Panzern. Eine Entscheidung von solchem Kaliber erfordert ein Höchstmaß an Umsicht und Konsens. ... Und das kann nicht nur in der Verantwortung Deutschlands liegen, sondern in der gemeinsamen Verantwortung aller.“

Echo (RU) /

Leopard-Koalition ist polnisches Wunschdenken

Politologe Alexej Jussupow, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung, wird mit einem Telegram-Post von Echo zitiert:

„Ja, Deutschland hat in Ramstein keine europäische Koalition zur Leopard-Lieferung initiiert. Aber es ist auch nicht zur Bremse geworden - trotz medialer Kanonaden und Warschauer Wunschdenkens gibt es eine solche Koalition einfach nicht. ... Die Slowakei, Tschechien, Spanien und Portugal geben keine Leoparden, Norwegen und Dänemark haben zu wenige, Schweden hat es mit einer Teilnahme nicht eilig, Kanada, die Schweiz, Österreich, Griechenland, die Türkei und Ungarn sind entweder neutral oder dagegen. Es bleiben Finnland, das bereit ist, 1 bis 3 Leoparden zu liefern und Polen mit 12 Stück.“

Visão (PT) /

Ein Trilemma

Berlin wird die Lieferung letztlich nicht verhindern können, glaubt Visão:

„Berlin befindet sich in einem schwer zu lösenden Trilemma: Es will alles tun, um der Ukraine die geeigneten Mittel zur Beendigung des Krieges zu geben, geht aber davon aus, dass die Entsendung von Leopard-2-Panzern, sei es auch aus anderen Ländern, eine schwer zu kontrollierende militärische Eskalation bedeuten würde. ... Deutschland durchlebt außerdem ein historisches Drama: Es hat zweimal Weltkriege ausgelöst und will auf keinen Fall den Dritten Weltkrieg beginnen. ... Die deutsche Regierung wird jedoch, um die Einheit der Alliierten, Europas und der Nato nicht zu zerbrechen, akzeptieren müssen, dass andere Länder, die mit Leopard 2 ausgerüstet sind, beschließen, diese zu entsenden.“

Index.hr (HR) /

Deutschland will den Unschuldigen spielen

Index.hr schreibt:

„Berlin würde es sehr passen, wenn die Ukraine Leopard-Panzer ohne seine Erlaubnis bekommt. Denn so bekäme es langfristig die Möglichkeit, wenn all dies einmal vorbei ist, den Kanzler oder zumindest Außenminister mit der Entschuldigung 'Wir konnten nichts dafür' nach Moskau zu schicken. Dazu passt die Aussage des deutschen Regierungssprechers, Polen könne Leopard-Panzer an die Ukraine auch ohne Erlaubnis aus Berlin schicken, perfekt. Es gebe keinen offiziellen Antrag Polens für einen Re-Export, fügte er hinzu. Das ist sehr gut für Berlin, denn ohne Antrag gibt es auch keinen Bedarf für eine Absage.“